Montag, 07.10.2024
Bild: Friedrich Schorlemmer (l.) im Gespräch mit der damaligen Ratsvorsitzenden der EKD, Prof. Dr. Margot Käßmann und Eckhard Naumann, dem früheren Oberbürgermeister der Stadt Wittenberg. Foto: W. Gorsboth

Wittenberg/Berlin (md). Der Theologe und Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer, Ehrenbürger der Lutherstadt Wittenberg, ist am Sonntag im Alter von 80 Jahren in einem Berliner Pflegeheim gestorben. Oberbürgermeister Torsten Zugehör zeigt sich bestürzt über den Tod: „Mit großem Bedauern habe ich vom Tod unseres Ehrenbürgerbürgers Dr. h. c. Friedrich Schorlemmer erfahren.“

Schorlemmers spektakuläre Aktion mit dem Kunstschmied Stefan Nau „Schwerter zu Pflugscharen“ anlässlich des Kirchentages 1983 in Wittenberg auf dem Lutherhof war ein Meilenstein der DDR-Friedensbewegung. „Dank seines über 30-jährigen Wirkens wurde die Stadt Wittenberg nicht nur als Geburtsort der Reformation, sondern – insbesondere durch die Friedensaktion ‚Schwerter zu Pflugscharen’ – auch als Wirkungsstätte der Friedlichen Revolution bekannt“, betont Zugehör. „Wir alle haben viel von Friedrich Schorlemmer lernen dürfen und sind ihm für sein außerordentliches Engagement sehr dankbar.“

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Schorlemmer, 1944 im brandenburgischen Wittenberge als Sohn eines evangelischen Pfarrers geboren, war einer der wichtigsten Protagonisten der Friedlichen Revolution in der DDR. Als Pazifist verweigerte er den Wehrdienst, studierte in Halle Theologie und kam 1978 als Dozent an das Evangelische Predigerseminar in Wittenberg. Dort bildete sich um ihn eine oppositionelle Gruppe, der Wittenberger Friedenskreis. Ein Jahr vor dem Fall der Mauer legte Schorlemmer mit dieser Gruppe die „20 Wittenberger Thesen“ vor, in denen unter anderem freie Wahlen, unabhängige Gerichte und Reisefreiheit gefordert wurden.

„Friedrich Schorlemmer setzte sich vor dem Mauerfall unermüdlich für den friedlichen Wandel von der Diktatur zur Demokratie ein“, erklärt Zugehör. „Er ermutigte viele ostdeutsche Bürgerinnen und Bürger, sich an der Neugestaltung einer liberalen Gesellschaft zu beteiligen und prägte das bürgerschaftliche Selbstbewusstsein einer Generation.“ Seine Aufgabe habe er darin gesehen, andere davon zu überzeugen, dass nur die demokratische Staatsform und das demokratische Denken das Fundament sein können, um politisch, kulturell und wirtschaftlich stabile Verhältnisse zu schaffen.

Von 1992 bis 2007 arbeitete Schorlemmer als Studienleiter an der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt und von 1990 bis 1994 war er Fraktionsvorsitzender der SPD im Wittenberger Stadtrat. Als kritische Stimme meldete sich der Autor zahlreicher Bücher immer wieder in gesellschaftspolitischen Debatten zu Wort, seit 2009 war er Mitglied im globalisierungskritischen Netzwerk „Attac“. Für Aufsehen sorgte seine 2017 publizierte Streitschrift „Reformation in der Krise“, in der er eine ernüchternde Bilanz des Reformationsjubiläums zog.

Schorlemmer erhielt im Laufe seines Lebens viele Auszeichnungen, unter anderem die Carl-von-Ossietzky-Medaille, den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, das Bundesverdienstkreuz und die Ehrenbürgerwürde der Lutherstadt Wittenberg. „Ich wünsche seiner Familie, auch im Namen des Stadtrates, in dieser außerordentlich schweren Zeit der Trauer viel Kraft, um diesen großen Schmerz und Verlust bewältigen zu können“, so Zugehör, „meine Gedanken sind in dieser schweren Zeit bei seiner Familie.“

Von Redaktion