Wittenberg (wg). Am 9. September 2024 starb Friedrich Schorlemmer im Alter von 80 Jahren in einem Pflegeheim in Berlin. Mit der Tagung unter dem Titel „Was bleiben wird“ erinnert die Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt vom 25. bis 27. April 2025 an den Theologen, Bürgerrechtler, Schriftsteller und Publizisten. Aufgrund der hohen Nachfrage findet die Tagung nicht in der Akademie, sondern im Auditorium maximum der Stiftung Leucorea statt. Es gibt noch freie Plätze, die Gebühr für die dreitägige Tagung beträgt 110 Euro. Anmeldung und weitere Infos unter www.ev-akademie-wittenberg.de.
Auf der Tagung werden verschiedene Bereiche des Wirkens Schorlemmer, seine Systemkritik an Kirche und Staat sowie seine Ermutigung für Klarheit und Geradlinigkeit beleuchtet. „Neben der Erinnerung und Würdigung des präzisen Denkers und Theologen befragen und diskutieren wir gemeinsam mit Ihnen die Relevanz seiner Texte und Thesen für uns und die Gesellschaft hier und heute“, heißt es in der Ankündigung der Evangelischen Akademie, deren langjähriger Studienleiter und Spiritus Rector Schorlemmer von 1992 bis 2007 war.
Schorlemmer, Sohn eines evangelischen Pfarrers, der am 16. Mai 1944 im brandenburgischen Wittenberge geboren wurde und in der Altmark aufwuchs, galt als unangepasst. Als Pazifist verweigerte er den Wehrdienst und studierte in Halle Theologie. 1978 kam er als Dozent an das Evangelische Predigerseminar in Wittenberg. Dort bildete sich um ihn eine oppositionelle Gruppe – der Wittenberger Friedenskreis. Im Juni 1988 legte Schorlemmer gemeinsam mit dieser Gruppe die „20 Wittenberger Thesen“ für eine Demokratisierung der DDR, Freie Wahlen, unabhängige Gerichte und Reisefreiheit vor – eine große Provokation für die SED-Diktatur.
An der berühmten Demonstration am 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz nahm er als Redner teil und engagierte sich im „Demokratischen Aufbruch“. Als sich der DA im Zuge der ersten freien Volkskammerwahl im Frühjahr 1990 der CDU zuwandte, trat er aus und schloss sich der SPD an. Von 1990 bis 1994 war er Fraktionsvorsitzender der SPD im Wittenberger Stadtrat. In die Geschichte ging Schorlemmer mit der spektakulären Aktion „Schwerter zu Pflugscharen“ beim Kirchentag 1983 in Wittenberg ein – ein Meilenstein der DDR-Friedensbewegung, die Schorlemmer international bekannt machte.
Auch nach der deutschen Wiedervereinigung blieb Schorlemmer unangepasst: „Eine klare und streitbare Stimme für Frieden, für Demokratie, für Gerechtigkeit“, bezeichnet ihn Friedrich Kramer, Landesbischof der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. Immer wieder meldete sich Schorlemmer zu gesellschaftlichen und kirchlichen Debatten zu Wort, so gehörte er unter anderem zu den Gegnern der Militäreinsätze im Afghanistan- und Irak-Krieg. In seiner Streitschrift „Reformation in der Krise“ zog er 2017 eine ernüchternde Bilanz des Reformationsjubiläums.
im Rahmen der Tagung wird der Historiker Dr. Volkmar Joestel am Freitagabend über Schorlemmers Lutherbild sprechen, danach gibt es ein Podiumsgespräch zum Thema „Luther-Formate mit Format“ mit dem Schriftsteller Friedrich Dieckmann, Dr. Stefan Rhein, Pfarrerin i.R. Renate Höppner und Dr. Joestel. Das Podiumsgespräch am Samstag widmet sich dem Thema „Klarsicht und Hoffnung – Haltung und Auftrag“, es nehmen teil Bundestagspräsident a.D. Wolfgang Thierse, Altbischof Prof. Dr. Axel Noack, die Berliner Journalistin Evelyn Finger und die Leipziger Studentin Lydia Tschepe-Wiesinger. Schwerpunkt am Sonntag sind die Impulse „Reformation in der Krise“ und „Kirche im Umbruch“ sowie das anschließende Podiumsgespräch zum Thema „Was wird aus der Kirche?“
Bild: Zum Tag der Deutschen Einheit 2015 verlieh der Stadtrat Friedrich Schorlemmer die Ehrenbürgerwürde der Lutherstadt Wittenberg. Foto: W. Gorsboth

