Wittenberg (md/wg). Das Bild vom Bauernkrieg vor 500 Jahren wird bis heute von blutrünstigen Bauernhaufen geprägt, die angeblich reihenweise ihre Gegner abschlachteten. In einem Vortrag der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt am Dienstag, dem 4. Februar, hinterfragt der Dresdner Historiker Prof. Dr. Gerd Schwerhoff diese Vorstellung und zeichnet ein anderes Bild von den Bauernaufständen. Beginn des Vortrags mit dem Titel „Vom Klostersturm zum Schlachtentod“ in der Kapelle des Wittenberger Augusteums ist um 18.30 Uhr.
In diesem Gedenkjahr widmet sich die Stiftung Luthergedenkstätten mit Ausstellungen, Vorträgen und weiteren Veranstaltungen der Erinnerung an den Bauernkrieg und an die einschneidenden Ereignisse im Jahr 1525. Im Museum „Luthers Sterbehaus“ in Eisleben ist die Mitmachausstellung „1525! Aufstand für Gerechtigkeyt“ zu erleben. Darin können Besucherinnen und Besucher auf einem großen begehbaren Spielbrett mit digitalen und analogen Spielelementen in die Rollen der Beteiligten vor 500 Jahren schlüpfen und erleben die Zeit unmittelbar vor dem Aufstand aus verschiedenen Perspektiven.
Über Jahrhunderte hinweg wurde der Mythos von der exzessiven Gewaltbereitschaft der Bauern gepflegt und prägte das Bild des Bauernkriegs. Später wurde der Aufstand positiver gesehen, ja geradezu heroisiert, aber immer noch blieb das Bild der gewalttätigen Bauern präsent – gehörte nicht zu einer richtigen Revolution eben auch die Bereitschaft zur Gewalt? Erst in neuerer Zeit wurde deutlich, dass die Aufständischen überraschend große Hemmungen hatten, wirkliche physische Gewalt anzuwenden.
Der Vortrag von Prof. Schwerhoff, Seniorprofessor für die Geschichte der Früheren Neuzeit an der Technischen Universität Dresden, gibt einen Überblick über die verschiedenen Formen und Situationen gewaltsamen Handels im Bauernkrieg: von den zahlreichen Drohungen über die rituelle Gewalt bei Kloster- und Burgenstürmen bis hin zu den wenigen Fällen, in denen Menschen umgebracht wurden. Auf der anderen Seite soll auch das Gewaltverhalten der Fürsten betrachtet werden, das in blutigen Massakern, aber auch willkürlichen Strafaktionen gipfelte.
Prof. Dr. Gerd Schwerhoff hat Geschichtswissenschaft, Soziologie und Pädagogik in Köln und Bielefeld studiert. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bielefeld und promovierte 1989 mit einer Arbeit zur Kriminalitätsgeschichte der Stadt Köln. 1997 folgte die Habilitation über das Thema Blasphemie vom 13. bis 17. Jahrhundert. Schwerhoff vertrat zeitweise die Lehrstühle an den Universität Bielefeld und Köln. Seit April 2000 ist er Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit an der TU Dresden.
Zum Thema des Vortrags hat er „Der Bauernkrieg. Geschichte einer wilden Handlung“ (München 2024) und „Auf dem Weg zum Bauernkrieg. Unruhen und Revolten am Beginn des 16. Jahrhunderts“ (Tübingen 2024) veröffentlicht.
Bild: Die Gräfin von Helfenstein (1498-1537) fleht Bauern in der Gegend um Weinsberg vergeblich um Gnade für ihren Mann Ludwig V. an. Stich von Matthäus Merian, um 1629. Quelle: WikiCommons