Freitag, 28.11.2025

Wittenberg (md/wg). Die Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt lässt ihre Sammlung auf Kulturgüter untersuchen, die in der NS-Zeit enteignet wurden. Bis Ende des Jahres wird der Historiker und Provenienzforscher Patrick Bormann die Anschaffungen der Stiftung zwischen 1933 bis 1945 analysieren. Dazu zählen Zeugnisse aus der Reformationszeit und Gegenstände der Luther-Rezeption. Vorrangig sollen Handschriften und historische Drucke geprüft werden. Ermöglicht wird die Recherche durch Projektmittel des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste.

Projektleiterin Anne-Katrin Ziesak, Leiterin der LutherMuseen in Wittenberg, sagt zu dem Forschungsprojekt: „In Augenschein genommen werden Objekte, die in der NS-Zeit von der Lutherhalle erworben wurden. Dies war bis 1997 der Name des heutigen Lutherhauses mit seiner reformationsgeschichtlichen Ausstellung. Der damalige Direktor Oskar Thulin war NSDAP-Mitglied und saß für die Partei im Wittenberger Stadtrat.“ Die Leitung der Lutherhalle müsse also durchaus als regimenah verstanden werden.

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Patrick Bormann ergänzt: „Neben der Nähe von Thulin zum NS-Regime hat eine erste Auswertung der Inventarbücher von 1933 bis 1945 weitere Verdachtsmomente hervorgebracht. Unter den dort angegebenen Verkäufern befinden sich mit den Berliner Antiquariaten J. A. Stargardt und Gsellius sowie dem Würzburger Antiquariat Helmut Tenner Händler, die bereits im Kontext Raubgut auffällig geworden sind. Das sind Indizien genug für eine Untersuchung.“

Insgesamt wurden in der NS-Zeit nach bisherigem Wissensstand von der Lutherhalle sieben Handschriften (vier davon unbedenklich), 177 Historische Drucke aus der Zeit des 16. bis 18. Jahrhunderts, 27 Gemälde (10 davon unbedenklich), zwei Plastiken, zwei Objekte des Kunsthandwerks, zehn Numismatica (Münzen) und 1.393 Bücher angeschafft.

Das Projekt und seine Ergebnisse werden öffentlich dokumentiert und in die Datenbanken „Lost Art“ und „Looted Cultural Assets“ eingestellt. Zugleich zählt es zu einer Reihe von Vorhaben der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, in denen die Rolle der Lutherhalle während der NS-Zeit aufgearbeitet wird. Angestoßen hat diese Reihe Stiftungsvorstand Dr. Thomas T. Müller.

Hintergrund

Provenienzforschung fragt nach der Herkunft und der Geschichte von Kulturgütern, zum Beispiel von Gemälden, Skulpturen, Büchern oder historischen Drucken. Untersucht wird, wem diese Dinge früher gehörten und wann und wie sie den Besitzer wechselten. Im NS-Kontext stellt sich zudem die Frage, ob dies freiwillig geschah oder unter Zwang. Sollte letzteres der Fall sein, sind staatliche Museen zu einer Rückgabe an die Erben des Opfers verpflichtet. Bild: Anne-Katrin Ziesak und Patrick Bormann. Foto: Stiftung Luthergedenkstätten/Killyen

Von Redaktion