Freitag, 28.11.2025

Wittenberg (wg). Sechs Monate nach der letzten Bund-Länder-Konferenz kommen am Montag, dem 6. November, die Ministerpräsidenten und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin wieder zum Thema Flüchtlinge zusammen. Die Erwartungen an das Treffen sind hoch, wie auch der „Flüchtlingsgipfel“ der Landräte mit Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff (CDU) in Wittenberg zeigte: Ein „weiter so“ dürfe es nicht gebe. „Die Landkreise haben bei der Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit finanziell und personell erreicht und oftmals überschritten“, erklärte Götz Ulrich (CDU), Präsident des Landkreistages Sachsen-Anhalt und Landrat des Burgenlandkreises.

Vor allem werde der zu Verfügung stehende Wohnraum zunehmend knapper, die Unterbringung in Zelten oder Turnhallen wolle niemand. Auch bei den Integrationsressourcen wie Sprachkurse seien die Kommunen überfordert. Die Landkreise in Sachsen-Anhalt fordern eine schnelle Lösung bei der Finnzierung der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten. Beim letzten Bund-Länder-Gipfel im Mai des Jahres sagte der Bund den Ländern eine Milliarde Euro für die Kommunen zu.

Werbung

„Dank an das Land Sachsen-Anhalt, dass es bereit ist, die uns zustehenden Mittel eins zu eins weiterzureichen“, sagte Ulrich, „das Problem ist jedoch, dass der Bund bis heute die Gelder nicht ausgezahlt hat.“ Schlimmer noch: Trotz steigender Fallzahlen wolle der Bund seine Zuweisungen in 2024 absenken. Seit Mai sei zu wenig passiert, die gefassten Beschlüsse seien überwiegend nicht umgesetzt worden. Am Montag müssten in Berlin wirksame Entscheidungen getroffen und kurzfristig realisiert werden, sonst drohe eine Überforderung der Gesellschaft.

„Wir können auch mit Blick auf steigende Zinsen nicht länger in finanzielle Vorleistung gehen und immer höhere Liquiditätskredite aufnehmen“, warnte Heinz-Lothar Theel, Geschäftsführer des Landkreistages von Sachsen-Anhalt. Markus Bauer (SPD), Vizepräsident des Landkreistages und Landrat des Salzlandkreises, formulierte es drastischer: „Unsere Haushalte fliegen uns um die Ohren! Wenn wir soziale Einrichtungen schließen und bei den freiwilligen Leistungen kürzen müssen, werden das unsere Bürgerinnen und Bürger nicht akzeptieren.“ Die deutschen Sozialleistungen für Geflüchtete sollten auf europäisches Niveau abgesenkt, Außengrenzen besser geschützt und Transitstationen eingerichtet werden.

„Im Landkreis Wittenberg ist schlicht kein Wohnraum für Flüchtlinge mehr vorhanden“, erklärte Landrat Christian Tylsch (CDU). Die Zuwanderung an sich müsse begrenzt werden, dies sei Sache des Bundes, dabei gehe es auch darum, ein Mindestmaß an sozialen Frieden zu wahren. Im Kreis Wittenberg lebten 600 Personen, die eigentlich ausreisen müssten, aber aus ganz unterschiedlichen Gründen immer noch hier lebten und Plätze für andere Geflüchtete belegten. Dass der Bund endlich die zugesagte eine Milliarde Euro auszahle, sei mehr als überfällig. Es gehe aber darum, für die Zukunft finanzielle Planungssicherheit zu haben, dies funktioniere nur mit dauerhaften Lösungen, denn die Unterbringung, Betreuung und Integration von Geflüchteten seien Aufgaben, die vorrangig auf kommunaler Ebene zu leisten seien.

Einig sind sich die Landräte in der Ablehnung einer Zentralisierung von Ausländerbehörden im Land Sachsen-Anhalt. „Eine erst noch zu schaffende neue Landesbehörde bringt keine Vorteile, dafür viele Nachteile“, warnte Ulrich und Landrat Tylsch ergänzte: „Wir verlagern nur die Probleme auf eine andere Ebene, ohne eines zu lösen.“ Die Genehmigung von Visa erfolge in den Auslandsvertretungen der Bundesrepublik und dauere viel zu lange. Die Anerkennung von Berufsabschlüssen sei Sache des Landesverwaltungsamtes – und dauere entschieden zu lange. „Es ist besser, die Verfahren vor Ort zu belassen und landeseinheitlich zu beschleunigen“, so Ulrich, „davon profitieren unsere Unternehmen, die Fachkräfte dringend suchen. Wir sind Ansprechpartner und Dienstleister für unsere regionale Wirtschaft.“

Kommunaler Finanzausgleich

Ein weiteres Thema des Landrätetreffens war der Kommunale Finanzausgleich. „Die Landkreise sind die einzige Gebietskörperschaft ohne eigene Steuereinnahmen“, erläuterte Landkreistag-Geschäftsführer Theel. Den Kreisen stünden nur Mittel aus dem Finanzausgleichgesetzt des Landes (FAG) und den von den Städten zu leistenden Kreisumlagen zu. Es sei positiv, so Theel, dass die Landkreise in 2024 mehr Geld vom Land bekommen sollen, auch wenn dies die realen Kostensteigerungen nicht kompensieren dürfte.

„Es ist deshalb dringend geboten, im Rahmen des FAG zu ermitteln, wie hoch die Zuweisungen sein müssen, damit die von den Landkreisen zu erfüllenden Aufgaben auskömmlich finanziert sind“, berichtete Theel. „Es macht keinen Sinn, wie bisher, nur die Armut zwischen Kreisen, Städten und Gemeinden zu verteilen.“ Dass die Finanzausgleichsmasse für die kommunale Familie insgesamt neu tariert werden müsse, zeigten auch die vielen Klagen der Städte gegen die Kreisumlage, dabei gehe es um insgesamt 200 Millionen Euro. Gemeinsam mit dem Städte- und Gemeindebund will sich der Landkreistag zudem für eine Entbürokratisierung einsetzen. Für einen teuren dreistufigen Verwaltungsaufbau habe Sachsen-Anhalt zu wenig Einwohner, Vorbild sei Schleswig-Holstein mit seiner Zweistufigkeit.

Bild: Heinz-Lothar Theel, Götz Ulrich, Christian Tylsch und Markus Bauer (v.l.n.r.) beim Treffen der Landräte in Wittenberg. Foto: Wolfgang Gorsboth

Von Redaktion