Wittenberg (md/wg). Eine internationale Tagung beleuchtet vom 15. bis 17. Oktober in der Stiftung Leucorea die Entstehung der Reformation und der Nationalsprachen in Lettland und Estland. Veranstalter sind die Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, die Stiftung Leucorea Wittenberg und die Lettische Nationalbibliothek. Die Teilnahme ist kostenfrei, um Anmeldung unter https://reg.lnb.lv wird gebeten.
Die Ursprünge der lettischen und estnischen Sprache liegen in reformatorischen Druckschriften, die im November 1525 im katholischen Lübeck beschlagnahmt und verbrannt wurden. Die internationale Fachtagung, die unter dem Titel „Zensur und Asche. Die verbotenen Bücher und die Reformation in Livland 1525“ steht, widmet sich den Hintergründen des Ereignisses und der Reformationsgeschichte der beiden baltischen Länder.
Heute gelten die verlorenen Bücher als die ersten Drucke in den Nationalsprachen Lettisch und Estnisch und sind von historischer Bedeutung. Diskutiert wird bei dem Treffen unter anderem, ob die Schriften damals in Wittenberg gedruckt wurden. Es referieren ausgewiesene Expertinnen und Experten aus Estland, Lettland, Deutschland und Dänemark. Erwartet werden unter anderem der ehemalige Präsident der Republik Lettland, Egils Levits, die Botschafterin der Republik Lettland in Deutschland, Ihre Exzellenz Alda Vanaga, die Botschafterin der Republik Estland, Ihre Exzellenz Marika Linntam, sowie Direktorin Dagnija Baltina (siehe Foto) von der Lettischen Nationalbibliothek.
„Bereits im 16. Jahrhundert gingen von Wittenberg zahlreiche Impulse nach Europa aus. 500 Jahre später ist die Tagung für unsere Stiftung nun ein weiterer Schritt auf dem Weg der internationalen Vernetzung und bezeugt die hervorragende Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen aus Skandinavien und dem Baltikum“, erklärt Dr. Thomas T. Müller, Vorstand der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt.
„Die Erforschung der kulturellen Wirkungen der Reformation gehört zu den Kernanliegen der Stiftung Leucorea. Am Beispiel der verlorenen lettischen und estnischen Druckschriften von 1525 zeigt die Tagung eindrucksvoll, wie weitreichend und vielfältig diese Wirkungen sind. Sie verbinden uns über nationale Sprachgrenzen hinweg“, so Dr. Karl Tetzlaff Geschäftsführer der Stiftung Leucorea.
Dagnija Baltina, Direktorin der Lettischen Nationalbibliothek, sagt: „Unsere Bibliothek beleuchtet seit 2021 mit Partnern aus Lettland und Estland die große Bedeutung der Reformation für das geschriebene und gedruckte Wort in den Sprachen Estnisch und Lettisch. Es ist folgerichtig, die mehrjährige Veranstaltungsreihe zum 500. Jubiläum des lettischen Buchwesens nun in Wittenberg als Ursprungsort der Reformation abzuschließen. Gemeinsam mit hervorragenden Expertinnen und Experten wollen wir die Ideen und Ereignisse der damaligen Zeit erörtern und verstehen. Wir freuen uns über die Zusammenarbeit mit den Kollegen aus Wittenberg und anderen Teilen Deutschlands. Ich bin sicher, dass diese Kooperation fortgeführt werden kann.”
Im Rahmen der Tagung wird Dr. Thomas T. Müller durch die Ausstellung „Buchstäblich Luther. Facetten eines Reformators“ im Wittenberger Augusteum führen. Dr. Caecilia-Désirée Hein gibt einen Einblick in die Reformationsgeschichtliche Forschungsbibliothek im Schloss, deren Leiterin sie ist.
Hintergrund: Reformation in Livland
Nur wenige Jahre nach dem überlieferten Thesenanschlag Martin Luthers 1517 in Wittenberg hielt die evangelisch-lutherische Glaubenslehre Einzug in Livland, dem historischen Gebiet des heutigen Estland und Lettland mit einer einflussreichen deutschen Oberschicht. Es war eine der ersten Regionen außerhalb des damaligen Reiches, in der sich das Luthertum verbreitete – heute ist es die zahlenmäßig stärkste Konfession in Lettland, während im mehrheitlich konfessionslosen Estland noch rund 8 Prozent Lutheraner leben.