Wittenberg (wg). Dezentralität gilt als wichtige Voraussetzung, um die Energiewende zu einem Erfolg zu machen. Mit der Regionalisierung der Stromerzeugung und –versorgung kommt der Strom zwar nach wie vor aus der Steckdose, aber seine Erzeugung kann deutlich bürgernäher umgesetzt werden. Mit ihrem ersten finanziellen Bürgerbeteiligungsprojekt für das Repowering der Solarpark-Anlage auf dem Deponiegelände in Reinsdorf gehen die Stadtwerke Wittenberg einen neuen Weg, ein Novum in der Region.
Dabei können Kunden, die Strom und/oder Gas von den Stadtwerken beziehen, gleich doppelt profitieren: „Sie können sich finanziell an dem Projekt mit einer attraktiven Rendite beteiligen sowie Strom über den Grünstrom-Tarif beziehen“, erklärt Stadtwerke-Geschäftsführer Andreas Reinhardt. Solarpark Reinsdorf „Cranach-Höfe“ heißt das Projekt, Zeichnungsstart ist am 30. November, ab 9 Uhr erfolgt die Freischaltung der Homepage.
„Mit Blick auf die Klimakrise und die Notwenigkeit, bis 2045 Energie klimaneutral zu produzieren, stehen wir vor großen und tiefgreifenden Veränderungen, denen wir uns stellen müssen und wollen“, betont Oberbürgermeister Torsten Zugehör. Die Energiewende werde nicht von oben in Berlin gemacht, sondern vor Ort, und dies gehöre zum Kerngeschäft nicht nur kommunaler Stadtwerke, sondern auch kommunaler Wohnungsbaugesellschaften.
Für die Energiewende brauche es aber zusätzliche Partner und deshalb wolle man die Bürger erstens aktiv an diesem Prozess beteiligen, ihnen zweitens eine Rendite bieten und drittens mit der Cranach-Stiftung und ihrer Jugendkunstschule ein kulturelles Zentrum der Stadt finanziell unterstützen. Für die Cranach-Stiftung wird ein Teil der Überschüsse eingesetzt, die die Stadtwerke selbst aus dem Solarpark erwirtschaften: 2.500 Euro jährlich für die Dauer von zehn Jahren.
Die Photovoltaik-Freiflächenanlage auf der Deponie Reinsdorf wurde bereit 2008 von den Stadtwerken errichtet und in Betrieb genommen, damals wurden 9.200 Module mit einer Gesamtfläche von mehr als 7.000 Quadratmetern verbaut. „Seit Juni des Jahres erfolgt das Repowering“, sagt Reinhardt. Verbaut wurden 3.900 neue und deutlich leistungsstärkere Module, wodurch die Leistung von bislang 0,7 Megawatt-Peak auf nunmehr 1,6 MWp mehr als verdoppelt werden konnte.
„Die Demontage der alten Solarmodule erfolgte von Juni bis Oktober“, berichtet Thomas Grabe, Technischer Leiter der Stadtwerke. Da die Deponie nicht mit Fahrzeugen befahren werden darf, entwickelten die Mitarbeiter der Stadtwerke mit dem „grünen Frosch“ ein Kettenfahrzeug in Eigenkonstruktion. Schließlich wogen die zu entsorgenden Module mehr als 20 Kilogramm – insgesamt 100 Paletten à 36 Module mussten abtransportiert werden. Drei „grüne Frösche“ kamen zum Einsatz, die Idee, sogenannte Dumper für den Transport umzubauen, stammt von den Stadtwerke-Mitarbeitern Kevin Fräßdorf und Frieder Klotsch, die im Blockheizkraftwerke in der Berliner Straße als Vorrichter arbeiten.
Vor Ort nachhaltig investieren
„Der Registrierungsprozess für die finanzielle Bürgerbeteiligung erfolgt ausschließlich digital“, erläutern Dominik Hadtke, Leiter des Projekts Bürgerbeteiligung und seine Stellvertreterin Carmen Pötzsch. Das heißt, es gilt das Windhundprinzip: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Insgesamt investieren die Stadtwerke 1,1 Millionen Euro, davon entfallen 700.000 Euro auf den Zeichnungsprozess, der automatisch gestoppt wird, sobald die Zeichnungsoption erreicht ist, 400.000 Euro investieren die Stadtwerke.
Der Registrierungsprozess erfolgt über die Webseite: https://buergerbeteiligung.stadtwerke-wittenberg.de, die Freischaltung erfolgt am 30. November um 9 Uhr. Das Verfahren ist denkbar einfach und wird auf der Webseite ausführlich erklärt: Erstens online registrieren, zweitens Vertrag lesen, drittens online zeichnen und viertens investieren. Investiert werden können Summen zwischen 1.000 und 5.000 Euro für insgesamt fünf Jahre, darauf zahlen die Stadtwerke eine jährliche Verzinsung von 3,75 Prozent, Laufzeit: bis 31. Dezember 2028.
Bild: Stadtwerke-Geschäftsführer Andreas Reinhardt, Oberbürgermeister Torsten Zugehör, Carmen Pötzsch, Mitarbeiterin Konzerncontrolling, Thomas Grabe, Technischer Leiter der Stadtwerke und Dominik Hardtke, Mitarbeiter Konzernentwicklung (v.l.n.r.). Foto: Wolfgang Gorsboth

