Wittenberg (md). Pulsierende Grooves, populäre Tanzmelodien, überraschende Improvisationskünste und eine ganz besondere Erkundungstour – das alles bietet das zweite und letzte Wochenende des 19. Wittenberger Renaissance Musikfestivals vom 27. bis 29. September 2024, das mit einigen altbewährten Highlights aufwartet.
Der historische Tanzball am Samstagabend um 20 Uhr im Alten Rathaus ist seit vielen Jahren fester Bestandteil des Musikfestivals und bei allen auswärtigen und einheimischen Gästen äußerst beliebt. Die beiden Tanzmeister Mareike Greb und Mark Frenzel führen auch in diesem Jahr mit Charme, Glamour und Ideen durch das Tanzvergnügen, während „The Playfords“ für die authentische Tanzmusik der Renaissance sorgen, diesmal mit Country Dances aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Die Sammlungen solcher Country Dances könnte man auch als eine Art überlieferte Hitparade bezeichnen, denn sie bilden alle populären Melodien der jeweiligen Zeit ab – ganz gleich, ob es sich um ein Lied handelt, das auf den Straßen gesungen wurde, eine Arie aus einer neuen Oper oder die aktuellste Hornpipe von Henry Purcell.
„The Playfords“ sind außerdem beim Abschlusskonzert am Sonntag um 17 Uhr, ebenfalls im Alten Rathaus, mit ihrem Programm „Kleidertausch“ zu hören. Das für seine groovigen Arrangements bestens bekannte Ensemble improvisiert über alte und neue Grounds, stattet Popsongs mit Gewändern der Alten Musik aus und ignoriert auf kreative Weise stilistische Grenzen alter Kompositionen. So verschwimmen Geschichte und Moderne und sind mitunter kaum noch zu unterscheiden. Das Wichtigste aber: Die Essenz der Musik in ihrer Zeitlosigkeit wird erlebbar, weil mit Esprit und Improvisationsfreude dargeboten – ganz nach dem Motto alte und neuere Musik im Rendezvous.
Ebenfalls genreübergreifend musiziert die Band „Vind“ mit ihrer bestens in Leipzig und Berlin bekannten Frontfrau Winnie Brückner. Deren Programm „Time stands still“ verbindet Alte Musik mit Jazz, Jazz mit Pop und Pop mit Alter Musik. Das gelingt durch den individuellen Sound und nicht zuletzt durch die abwechslungsreiche Instrumentierung: Trompete, Flügelhorn und Kontrabass stehen gleichberechtigt neben historischen Instrumenten wie Lauten, Gitarren und Theorben sowie elektronischen Verfremdungen und Soundschleifen. Pulsierende Grooves überwinden stilistische Grenzen und bleiben doch immer auch der Alten Musik verpflichtet. So entsteht – zumindest für die Dauer eines Konzerts – aus der Musik der Jahrhunderte ein neues, brillant imaginiertes Genre. Erstmals ist das Festival mit diesem Konzert am Freitagabend um 19 Uhr im Clack Theater zu Gast.
Nicht nur dieses Konzert findet in einem ganz besonderen Ambiente statt, sondern auch der traditionelle musikalische Stadtspaziergang führt Einheimische wie Gäste von einem verschwiegenen Ort zum nächsten, um kammermusikalisch dargebotener Musik in Kirchen, Bürgerhäusern und Cafés der Lutherstadt zu lauschen. Los geht es am Samstagnachmittag um 15 Uhr in der Schlosskirche mit einer kurzen Eröffnungsmusik und populären Kompositionen von damals und heute, gespielt vom Praetorius Consort Wittenberg, dem Nachwuchsensemble der Wittenberger Hofkapelle. Danach wird das Publikum von gewandeten Stadtführern zu wunderbaren Kurzkonzerten, unter anderem im Alten Rathaus und in der Fronleichnamskapelle, geleitet und erhält unterwegs spannende Einblicke in die Stadtgeschichte. Den krönenden Abschluss feiern die Musikerinnen und Musiker und ihr Publikum im Café Klatschmohn am Kirchplatz bei einem Glas Sekt.
Ein Besuch beim Abschlusswochenende des seit 2006 beliebten Wittenberger Renaissance Musikfestivals lohnt sich, um bei einer rauschenden Ballnacht tanzen zu können, um besonders geheimnisvolle Orte der Lutherstadt erkunden zu können und nicht zuletzt um große Improvisationslust zu erleben und individuellen kreativen Klängen irgendwo zwischen Alter Musik, Pop und Jazz lauschen zu können.