Mittwoch, 15.10.2025

Wittenberg (wg). Unter dem Motto „Sprachschätze“ richtet die Lutherstadt Wittenberg vom 30. September bis zum 9. Oktober die 31. Landesliteraturtage Sachsen-Anhalt aus. Das umfangreiche und vom Künstler-Ehepaar Silvia Topanka-Freihube und Bertram Freihube gestaltete Programmheft listet 54 Veranstaltungen auf, die dazu einladen „Sprachschätze“ in ihrer Vielfalt zu heben und live zu erleben. Bespielt werden Kitas, Schulen und Bibliotheken, kulturelle Einrichtungen der Stadt und Originalschauplätze der Reformation. Es gibt außerdem Veranstaltungen in den kreisangehörigen Städten Coswig, Zahna und Bad Schmiedeberg sowie in der Lutherstadt Eisleben und in Sangerhausen.

Dass Wittenberg den Zuschlag zur Ausrichtung erhalten hat, dürfte mit einem besonderen Jubiläum zusammenfallen: Vor 500 Jahren übersetzte Martin Luther auf der Wartburg in der Rekordzeit von nur elf Wochen das Neue Testament aus dem Griechischen ins Deutsche. Im September 1522 erschien das gedruckte Werk in Wittenberg, es sollte zur Grundlage einer einheitlichen deutschen (Schrift-)Sprache werden.

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Luther erwies sich dabei als großes schriftstellerisches Talent: Weil alle ihn unabhängig vom sozialen Stand und Dialekt verstehen sollten, musste er dem Volk aufs Maul schauen und viele neue Begriffe erfinden, die heute noch bekannt sind, wie: Feuereifer, Denkzettel, Fallstrick, Mördergrube, Schandfleck oder Herzenslust. Auch viele Redensarten stammen aus der Feder des Reformators, unter anderem: „Sein Scherflein dazu beitragen“, „wider den Stachel löcken“ oder „sein Licht nicht unter den Scheffel stellen“. Ob Luther heute gendern würde, sei allerdings dahin gestellt.

Die in Wittenberg stattfindenden Landesliteraturtage wollen eine Brücke schlagen von der Vergangenheit in die Gegenwart, Tradition und Neues verbinden. Mit ganz unterschiedlichen Formaten werden Einblicke in die Welt der Literatur gegeben: Lesungen namhafter Autoren, Lesekonzerte, Poetry Slam, Hörspielabend, spezielle Lesungen und Workshops für Kinder und Jugendliche, das Konzert des aus Wittenberg stammenden Liedermachers Hans-Eckardt Wenzel sowie eine Theaterrevue runden das ebenso attraktive wie kreative Programm ab.

„Wir wollen mit diesen Veranstaltungen das Interesse an Literatur in der Bevölkerung wecken und einen Impuls für die Auseinandersetzung mit literarischem Schaffen setzen“, erklärt Madlen Züchner, Geschäftsführerin der Lutherstadt Marketing GmbH. „Wir möchten Literatur und Kunst feiern und dem Publikum vielfältige literarische Begegnungen ermöglichen, dabei können Klassiker neu betrachtet, das gesprochene und gesungene Wort gehört und eigene Gedanken niedergeschrieben werden.“

Höhepunkte der Landesliteraturtage

Gleich zum Auftakt gibt es vom 30. September bis 3. Oktober im Cranach-Hof in der Schlossstraße 1 das „Druck-Kunst-Fest“ mit Lesecafé, Mitmachaktionen und der Präsentation der Installation „Das A hat Klassentreffen“. Andreas Metschke, der die historische Druckerstube betreibt, wird die Titelseite des Septembertestaments von 1522 auf dem Nachbau der Gutenberg-Presse nachdrucken. Vorgestellt wird aber auch modernste Technik wie die Lasergravur. An allen vier Tagen werden ab 15.10 Uhr Wittenberger Bürgerinnen und Bürger im Lesecafé ein Buch vorstellen, welches sie in jüngster Zeit gelesen haben.

Dr. Cornelia Marks, die als freie Übersetzerin, Lektorin und Autorin arbeitet und seit 2008 Mitglied im Schriftstellerverband Sachsen-Anhalt ist, gestaltet am 1. Oktober um 18.30 Uhr im „Café 3“ auf dem Cranachschen Kunsthof, Markt 4, die Veranstaltung „Balkan trifft Sachsen-Anhalt“: Die Fachfrau in Sachen Südslawistik informiert am Beispiel der Lyrik, wie ein Sprachschatz aus einer anderen Sprache ins Deutsche übersetzt wird und bietet eine Lesung, die zeigt, dass Literatur friedliches Brückenbauen zwischen Kulturen bedeuten kann.

In „Luftabwehr“ liest am 3. Oktober um 11 Uhr im Haus der Geschichte Dirk Bierbaß autobiografisch geprägte Gedicht-Zyklen, in denen sich der Dichter mit seiner Grundwehrzeit in der NVA auseinandersetzt, außerdem verarbeitet er seine Erfahrungen als Lehrling und Werkzeugmacher in einem DDR-Betrieb. Lakonisch und pointiert schildert er skurrile Szenen, die teilweise aktuelle Bezüge zu aktuellen Themen wie Krieg und Krise haben.

„Der Schampus des Poeten“ ist der Titel einer Literaturverkostung am 4. Oktober um 16 Uhr im Pavillon im Kurhaus in Bad Schmiedeberg: Detlef Färber liest aus eigenen Klassiker-Satiren, mixt einen Shakespeare-Shake zum Kurzdrama „Rommé ohne Julia“, feiert gebührend das Jubiläum der Lutherbibel, spendiert Goethe einen dritten „Faust“-Teil und schenkt den armen Poeten ordentlich einen aus.

Unter dem Motto „Female Voices in Exile“ wird am 4. Oktober um 18 Uhr im Malsaal des Cranach-Hofes in der Schlossstraße 1 ein Magazin vorgestellt, in dem arabischsprachige Frauen zu Wort kommen und über ihre Erfahrungen im Ausland, ihre Sehnsüchte, ihre Ängste sprechen, über Heimat, Flucht und Identität als Frau. Diese Veranstaltung findet auf Deutsch und Arabisch statt in Anwesenheit von Yasmine Merei, syrische Journalistin, Menschenrechtsaktivistin und Gründerin des Vereins „Women for Common Spaces“, sowie einiger Autorinnen.

Beim Poetry-Slam am 5. Oktober ab 19 Uhr im Gewölbekeller des Brauhauses werden Wortakrobaten aus ganz Sachsen-Anhalt die Bühne für einen modernen Dichter-Wettstreit betreten. Das Publikum darf sich auf schöne Gedichte, scharfe Satiren und sprachgewandte Rap-Texte freuen und sich davon überzeugen, was Sprache alles kann.

Wahid Nader und Issa Fayad laden am 9. Oktober um 11 Uhr in das Wittenberg Zentrum für Globale Ethik in der Schlossstraße 10 ein zu einem Lesekonzert unter dem Motto „Verbrennen der Myrte“, bestehend aus Gedichten, Geschichten und Musikstücken. Nader berichtet vom Leben in zwei Welten, von der Sehnsucht nach der ersten Heimat und von der Liebe des syrischern Dichters zu seiner Wahlheimat Sachsen-Anhalt. Zwischen den Kulturen des Morgen- und des Abendlandes schlägt er in seiner metapherreichen Sprache Brücken. Dabei wird er von seinem aus Homs stammenden Landsmann Fayad begleitet, der seit seiner Kindheit die Oud oder Kurzhalslaute beherrscht und auch für sein Solo-Singen mehrfach mit Preisen bedacht wurde.

Hinweis

Eröffnet wird der Reigen am Freitag, dem 30. September, um 17 Uhr im Stadthaus durch Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff, Landrat Christian Tylsch und Oberbürgermeister Torsten Zugehör, zur Umrahmung gibt es ein buntes literarisches Programm. Wer an der Eröffnungsveranstaltung teilnehmen möchte, wird gebeten, sich per Mail an: marketing@wittenberg.de anzumelden. Das ausführliche Programm kann im Internet nachgelesen werden unter: www.literatur-lsa.de/landesliteraturtage.

Bild: Yasmine Merei ist Gründerin des Vereins „Women for Common Spaces“; sie ist syrische Menschenrechtsaktivistin, Journalistin und Poetin. Foto: Quelle Heinrich Böll Stiftung

Von Redaktion