Freitag, 17.10.2025

Wörlitz (wg). Als die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz und die Agentur „3undzwanzig“ 2016 zum ersten Mal zu den Wörlitzer Filmtagen einluden, handelte es sich um ein Experiment. Inzwischen gibt es die 7. Auflage und eine treue Fangemeinde über die Grenzen der Region hinaus, denn wo sonst begegnen sich jenseits der Leinwand Antike und Klassizismus? In diesem Jahr kann sich das Publikum vom 20. bis 26. August auf sieben preisgekrönte und niveauvolle Filme in lauen Sommernächten auf der Insel Stein freuen.

Das Publikum sitzt im „römischen“ Theater, das dem historischen Vorbild in Herculaneum am Golf von Neapel nachempfunden ist. Zur Kulisse auf der Insel Stein gehören auch der einzige künstliche Vulkan Europas und die Villa Hamilton. Aufgrund des faszinierenden Ambientes wird der Spielort selbst zu einem der Hauptdarsteller des Filmfestivals. In diesem Jahr verzichten die Veranstalter auf ein Motto, doch viele der gezeigten, preisgekrönten Filme sind starken Frauen gewidmet, die ihren Weg gingen, ihrer Zeit voraus waren, sich gegen Konventionen auflehnten und sich nicht von gesellschaftlichen Zwängen aufhalten ließen.

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Biopic über Kaiserin Elisabeth

Auftakt ist am Samstag, dem 20. August, mit „Corsage“ (2022), eine deutsch-französisch-österreichisch-luxemburgische Produktion, bei der Marie Kreutzer die Regie führte. Ein Film, der ein neues Bild von Elisabeth (Vicky Krieps), Kaiserin von Österreich-Ungarn, zeichnet, welches durch die unsägliche „Sissi“-Trilogie bis zur Unkenntlichkeit verzerrt wurde. Es geht um eine Frau, die am engen Zeremoniell des Hofstaats zu ersticken droht. Die Angst vor dem Älterwerden und dem Bedeutungsverlust lässt sie zunächst erstarren, dann nach einer Möglichkeit für einen Ausbruch suchen.

Mit ihren Hofdamen unternimmt Elisabeth Reisen, sie erlaubt sich Affären und interessiert sich für moderne Erfindungen wie die Filmkunst. Der Blick in die Ferne öffnet der Kaiserin Perspektiven, weckt in ihr den Wunsch der Selbstermächtigung, weg von den Konventionen und ihrem zerbrochenen Selbstbild. Doch lässt das enge Korsett aus höfischen Ritualen und traditionellen Rollenbildern die individuelle Freiheit einer Frau überhaupt zu?

Biopic über den Maler Louis Wain

„Die wunderbare Welt des Louis Wain“ (Großbritannien 2021) von Regisseur Will Sharpe spielt im London Ende des 19. Jahrhunderts: Der begnadete Zeichner und notorische Einzelgänger Louis Wain (Benedict Cumberbatch) lebt zusammen mit seiner Mutter und seinen fünf Schwestern in einem Haushalt, in dem es an nichts fehlt – außer an Geld. Als Mann der Familie ist es an ihm, diese zu ernähren, weshalb er widerwillig eine Stelle als Illustrator bei der „Illustrated London News“ annimmt.

Eine Entscheidung, die sein Leben komplett verändert, denn seine Zeichnungen von Katzen sind bis heute weltberühmt. Doch damit nicht genug, Louis verliebt sich in die für seine Schwestern neu eingestellte Gouvernante Emily Richardsen (Claire Foy). Gegen alle Widerstände der Familie werden die beiden ein Paar. Alles scheint sich endlich zum Guten zu wenden, als ein Schicksalsschlag Louis vor eine ganz andere Herausforderung stellt…

Verfilmung eines historischen Romans

Am Montag, dem 22. August, wird der britische Spielfilm „Ein Festtag“ (2021) gezeigt, in dem die französische Regisseurin Eva Husson den Roman von Graham Swift verfilmt hat. Dienstmädchen Jane (Odessa Young) hat von ihren Herrschaften zur Feier des Muttertages frei bekommen. Freudig erregt radelt sie hinaus in die Frühlingssonne, um ihren Geliebten Paul (Josh O’Connor) zu sehen. Nach vielen heimlichen Treffen soll dies nun ihre letzte Verabredung sein, denn Paul wird bald standesgemäß heiraten.

Jane darf erstmals durchs Hauptportal spazieren, um direkt in sein Bett zu sinken, da die Familie samt Dienerschaft ausgeflogen ist. Als Paul sich schließlich auf den Weg zu seiner Verlobungsfeier macht, streift Jane – völlig beseelt vom leidenschaftlichen Liebesakt – allein und nackt durch das weitläufige Herrenhaus, nicht ahnend, welch schicksalhafte Wendung dieser besondere Festtag noch bereithält…

„Das Piano“ (Australien/Frankreich 1993) in der Regie von Jane Campion steht am 23. August auf dem Spielplan. Mitte des 19. Jahrhunderts: Die stumme Ada (Holly Hunter) wird mit ihrer kleinen Tochter am Strand von Neuseeland abgesetzt, um eine arrangierte Ehe mit einem ihr völlig fremden Mann einzugehen. Ada ist scheu und verschlossen – der wichtigste Gegenstand in ihrem Leben ist ein Piano, das sie aus Europa mitgebracht hat. Doch ihr Gatte Stewart verkauft das Instrument an den Arbeiter Baines (Harvey Keitel), außerdem soll Ada Baines Klavierunterricht geben. Während der Übungsstunden wandelt sich Adas anfängliche Abneigung in verbotene Zuneigung. Ein poetisches Meisterwerk, welches in Cannes mit zwei Preisen ausgezeichnet wurde.

„Emma“ (Großbritannien 1996) von Regisseur Douglas McGrath ist am 24. August zu sehen. Schön, klug und reich, mit einem gemütlichen Zuhause und einem glücklichen Wesen schien Emma Woodhouse mit einigen der erfreulichsten Vorzügen des Daseins gesegnet zu sein. Mit diesen Worten beginnt Jane Austen ihren fünften Roman „Sinn und Sinnlichkeit“ und man erwartet nach diesem Auftakt keine großen Konflikte mehr für Emma, wäre da nicht dieses kleine Wörtchen „schien“. Denn durch die sorgenfreien Umstände ihres Lebens und die zu nachsichtige Erziehung durch ihren Vater und ihre Erzieherin meint Emma, für ihre Mitmenschen Schicksal spielen zu können. Nur einer wagt es, sie zu kritisieren: Mr. Knightley, ein Freund der Familie, der Emma seit Kindesbeinen kennt. Wunderbare Gesellschaftskomödie mit einer überragenden Gwyneth Paltrow in der Titelrolle.

Spielfilm aus dem DEFA-Studio

„Treffen in Travers“ (DDR 1989) ist das Regiedebüt von Michael Gwisdek und wird am Donnerstag gezeigt. 1793 trifft sich der in Paris lebende Georg Forster in einem Gasthof in der Schweiz mit seiner Frau Therese, um die Scheidung zu besprechen. Therese ist mit den beiden gemeinsamen Kindern und ihrem neuen Lebensgefährten Ferdinand Huber gekommen. Der von den revolutionären Kämpfen in Frankreich geschwächte Forster versucht, Therese zu überreden, mit ihm nach Paris zu fahren. Er ist bereit, Huber als Dritten im Bunde zu akzeptieren.

Therese, die im Schweizer Exil lebt, möchte die Scheidung, um nach Deutschland zurück zu können. Sie versucht, auch Forster zur Rückkehr zu bewegen, damit er endlich zur Ruhe kommt. Sie lehnt es ab, mit ihm nach Paris zu gehen, obwohl sie ihn noch immer liebt. Therese weiß, dass er sein Privatleben stets für die Revolution opfern würde. Und sie weiß, dass Huber sie braucht. Diese Ménage-à-Trois ist ein intensives Kammerspiel mit tollen schauspielerischen Leistungen von Corinna Harfouch, Uwe Kockisch und Hermann Beyer.

Den Schlusspunkt des Filmfestivals setzt am Freitag, dem 26. August, der britische Spielfilm „Der geheime Garten“ (2019) von Regisseur Marc Munden. Die in Indien lebende, 10-jährige Britin Mary Lennox wird nach dem plötzlichen Tod ihrer Eltern auf das tief in den Yorkshire Moors gelegene Landgut ihres Onkels geschickt. Die Geheimnisse in dem großen Haus mit den verschlossenen Zimmern wecken schnell Marys Neugier. Sie erfährt von einem geheimen Garten, den seit zehn Jahren niemand betreten hat und macht sich auf die Suche. Gemeinsam mit ihrem kränklichen Cousin Colin und ihrem neugewonnen Freund Dickon entdeckt sie eine farbenprächtige und nahezu magische Welt, die nicht nur ihr eigenes Leben von Grund auf verändern wird.

Hinweis:

Die Veranstaltungen beginnen um 20 Uhr (Einlass ab 18.30 Uhr), Filmstart ist mit Beginn der Blauen Stunde. Tickets zum Preis von 13 Euro (ermäßigt 12 Euro) sind ausschließlich online unter www.woerlitzer-filmtage.de erhältlich.

Bild: Uwe Quilitzsch (im Hintergrund das „römische“ Theater) ist der Vater der Wörlitzer Filmtage. Ende 2021 ging der Referatsleiter der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz in den wohlverdienten Ruhestand.

Foto: Wolfgang Gorsboth

Von Redaktion