Wörlitz (md/wg). Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt das Forschungsvorhaben „Erbe wahrnehmen. Oranische Gemälde in Anhalt-Dessau“ von Dr. Anette Froesch, Abteilungsleiterin Schlösser und Sammlungen bei der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz (KsDW), und Prof. Dr. Caecilie Weissert, Inhaberin der Professur der Kunstgeschichte der Neuzeit (1400-1800) an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
Im September hat die DFG eine Sachkostenbeihilfe in Höhe von rund 700.000 Euro für das Projekt zugesagt. Mit den Fördermitteln, die vor allem in Fachpersonal fließen sollen, wird ein Projekt zur Erforschung des einzigartigen Konvoluts flämischer und holländischer Malerei möglich, das im UNESCO-Welterbe Gartenreich Dessau-Wörlitz bewahrt wird. Das Forschungsvorhaben wird dieses besondere kulturelle Erbe im Gartenreich wissenschaftlich erschließen und es für zukünftige Generationen transparent machen.
„Wir freuen uns sehr, dass es der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz gelungen ist, Mittel für ein DFG-Projekt einzuwerben. In Zusammenarbeit mit einer Universität sind damit die Weichen für eine exzellente wissenschaftliche Auseinandersetzung mit einem großen Forschungsdesiderat des Gartenreiches gestellt. Glückwunsch an die Kolleginnen, die im Vorfeld bereits viel Arbeit in das Projekt investiert haben,“ betonte Prof. Dr. Harald Meller, kommissarischer Direktor und Vorstand der Kulturstiftung.
Einzigartiges Erbe der Amalie von Solms
Bei dem Konvolut handelt es sich um einen bedeutenden Teil des beweglichen Erbes aus der berühmten Sammlung der Amalie von Solms (1602–1675), der Witwe des niederländischen Statthalters Friedrich Heinrich von Oranien (1584–1647). Die Gemälde gelangten nach ihrem Tod durch komplizierte Erbschaftsvorgänge und Verkäufe in das damalige Fürstentum Anhalt-Dessau. Sie befinden sich heute in den Sammlungen der KsDW und teilweise in der Anhaltischen Gemäldegalerie Dessau und sind damit integraler Bestandteil der Welterbe-Landschaft. Zu den Werken zählen Gemälde von hochrangigen Künstlern wie Jan Brueghel d. Ä., Peter Paul Rubens, Anthonis van Dyck, Gerrit van Honthorst, Hendrick Goltzius und Jan Mijtens.
Schließung einer historischen Forschungslücke
Trotz der Bedeutung dieses Bestandes steht eine umfassende wissenschaftliche Bearbeitung des nach Anhalt-Dessau gelangten Erbes noch immer aus. Bislang können innerhalb des Gesamtbestandes flämisch-niederländischer Gemälde vor Ort (ca. 350 Werke) nur rund 40 Gemälde eindeutig der ursprünglichen Sammlung der Amalie von Solms zugeordnet werden. Die Erforschung wurde historisch durch verschiedene Faktoren erschwert. So waren etwa wesentliche Quellen und Literatur, die nur in Westdeutschland und den Niederlanden verfügbar waren, aufgrund der politischen Teilung bis 1989 kaum zugänglich.
Ziele des Forschungsprojekts
Gegenstand des Projektes ist es, das erhaltene Konvolut oranischer Gemälde einer gründlichen Provenienzerschließung zu unterziehen und es in einem bisher nicht möglichen Maße kunsttechnologisch und kunsthistorisch zu untersuchen. Die Wahrnehmung des Erbes soll systematisch erforscht werden, insbesondere die Frage, welche Gemälde von wem zu welcher Zeit, wo und mit welcher Intention präsentiert wurden.
Die Forschung wird die Wahrnehmung des niederländischen Erbes über mehrere Jahrhunderte hinweg untersuchen – bis in die Generation der Ururenkel der Amalie von Solms, zu denen auch der Gartenreich-Schöpfer Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau gehörte. Ein besonderer Fokus soll dabei auf der Analyse von Funktion und Wirkung der historischen Gemäldehängung des 18. Jahrhunderts liegen, denn in Schloss Mosigkau, im Gotischen Haus und in Schloss Wörlitz haben sich Präsentationszusammenhänge aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erhalten, die eine einzigartige Quelle darstellen.
Die angestrebte Erschließung der Wahrung und Wahrnehmung dieses historischen Erbes wird Impulse setzen, die weit über aktuelle Ansätze der Residenzen- und Sammlungsforschung hinausweisen. Es werden anschlussfähige Erkenntnisse zum transregionalen und auch generationenübergreifend identitätsstiftenden Umgang mit kulturellem Erbe erwartet. Die Ergebnisse sind auch relevant mit Blick auf die Rezeption der Gemäldehängung durch heutige Besucher.
Aufgrund der komplexen Ausgangslage ist für den Erfolg des Projektes das Zusammenwirken von museumsspezifischem Knowhow und wissenschaftlicher Expertise der Universität für den Projekterfolg entscheidend. Die Projektleiterinnen werden in diesem interinstitutionellen Projekt eng mit der Anhaltischen Gemäldegalerie Dessau kooperieren. Das Projekt wird durch zahlreiche weitere, auch internationale Partner unterstützt, zu denen unter anderem die Königlichen Sammlungen und das Königliche Hausarchiv in Den Haag und das Paleis Het Loo in Apeldoorn gehören.
Bild: Vermählung Alexander des Großen mit Roxane, Peter Paul Rubens. Foto: ©KsdW/Heinz Fräßdorf

