Dienstag, 18.11.2025

Wittenberg (wg). „Ich bin sehr froh, dass die Existenz des Asisi-Panoramas für weitere fünf Jahre gesichert ist“, erklärte Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff (CDU) anlässlich der Wiedereröffnung am Freitagabend. Mehrere Wochen hatte die Rotunde wegen Reparatur- und Sanierungsarbeiten geschlossen. Um den Geist der Reformation lebendig zu halten, brauche es immer wieder auch Impulse aus der Lutherstadt Wittenberg, jenem Ort, von dem eine weltweite Bewegung ihren Ausgang nahm. Im Panorama könne beeindruckende Weltgeschichte bewundert werden. Ausdrücklich betonte Haseloff die Bedeutung der Kirchen und ihrer ethischen Werte in einer von Spannungen und gesellschaftlichen Verwerfungen geprägten Zeit.

Der MP dankte Ulrich Schneider und Camilo Seifert, den beiden geschäftsführenden Gesellschaftern, die das Panorama „Luther 1517“ zum Januar des Jahres zu je gleichen Teilen übernommen haben – unterstützt von weiteren lokalen Partnern wie der Wigewe als Vermieterin und den Stadtwerken. Auch Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) lobte den unternehmerischen Mut von Schneider und Seifert. Mehr als 800.000 Besucher seit Eröffnung des Panoramas im Oktober 2016 seien eine stolze Zahl, die für sich spräche. „Aktuell sind die Nachrichten schlecht, umso wichtiger sind deshalb gute Nachrichten wie diese“, sagte Zugehör. Die Wiedereröffnung sei wie ein Klassentreffen all derer, die bereits in der Lutherdekade und 2017 dabei gewesen seien.

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Zugehör erinnerte auch an schwierige Zeiten, wie die komplizierten Vorgespräche in Berlin sowie an die Corona-Jahre, die zu Problemen führten, die nur dank des Einstiegs des Wartburg-Verlags als 100-prozentige Tochter der EKM gelöst werden konnten und eine Weiterbetreibung bis Ende 2024 ermöglichte. Besonders dankte der OB Yadegar Asisi (siehe Foto) für sein Engagement und seine tiefe Verbundenheit mit der Stadt Wittenberg, für das der in Berlin lebende Künstler mit dem Lucas-Cranach-Preis geehrt wurde. Asisi habe nicht nur mit dem Panorama eindrucksvolle Spuren hinterlassen, sondern auch mit dem Kunstprojekt „Eine Stadt zeichnet“, welches 2024 erstmalig in dieser Form in Deutschland durchgeführt wurde.

Yadegar Asisi, der bekannte, mehr über Thomas Müntzer als über Martin Luther gewusst zu haben, gab den Dank des OB an die Stadt zurück: „Hier habe ich Menschen getroffen, die nicht gesagt haben ‚Ja, aber’, was immer den Tod eines Projekts bedeutet, sondern die gesagt haben, ‚das gefällt uns’“. Er sei auf eine Stadt getroffen, die ihm enorme Sympathien entgegenbrachte. Dass die Existenz des Panoramas bis 2029 – und vielleicht darüber hinaus – gesichert sei, mache ihn glücklich, der Eiffelturm zu Paris sei auch nur als Interimsbauwerk geplant gewesen – und stehe noch immer.

Es freue ihn aber noch aus einen zweiten Grund: Er wolle eine Brücke schlagen von Wien über Konstanz nach Wittenberg als eine Art Reise durch die vom Christentum geprägte abendländische Geschichte. In Wien soll 2026 „Rom 312“ als beeindruckendes Panorama die Hauptstadt des Römischen Reiches zeigen, als Kaiser Konstantin das Christentum zur neuen Staatsreligion machte, der Beginn der „Administration von Kirche“. In Konstanz widmet sich das Panorama dem Konstanzer Konzil von 1414 bis 1418, als die Stadt am Bodensee zum Mittelpunkt der christlichen Welt wurde. Damals, erinnerte Asisi, habe es drei Päpste gegeben, das Konzil sollte die fünfzigjährige Spaltung der römischen Kirche beenden. Einer der Konzilbesucher war Jan Hus, den man trotz freien Geleits als Ketzer verbrannt habe: 100 Jahre vor der von Wittenberg ausgehenden Reformation.

Warum wir alle zeichnen sollten

Yadegar Asisi erklärt es in seinem neuen, visionären Buch „Zeiten des Zeichnens“, das er am Freitagabend in ebenso informativer wie ansteckend leidenschaftlicher Form vorstellte: Zeichnen soll wie Lesen, Schreiben und Rechnen zu einer selbstverständlichen Alltagskompetenz werden, um sich visuell auszudrücken, Gedanken zu sortieren und die Welt mit neuen Agen zu sehen. Für Asisi ist Zeichnen dabei zuallererst „ein Handwerk und keine Kunst“ – ein erlernbares, unverzichtbares Werkzeug, das die Wahrnehmung schärft und den Alltag bereichert. Leidenschaftlich appellierte er, dass jede und jeder zeichnen sollte – unabhängig von Vorkenntnissen oder Talent. Und er warf auch Fragen nach dem Bildungskanon auf und forderte einen Paradigmenwechsel: Schule dürfe nicht nur Ratio vermitteln, sondern müsse auch die Sinne schulen. Junge Menschen bräuchten zur Bewältigung der Zukunft soziale Kompetenz und Persönlichkeitsbildung.

Asisi nahm die Gäste mit auf eine Reise in drei Kapiteln. Erstens die Geschichte des Zeichnens: Asisi sucht das Zeichnen in der Geschichte der Menschheit und zeigt, wie es die Welt und die Kultur grundlegend verändert hat. Zweitens gewährte er persönliche Einblicke: Wie das Zeichnen seinen eigenen Lebensweg beeinflusst hat, wie es ihn zum Architekten und Künstler gemacht hat. Drittens die „praktische Werkzeugkiste“: Asisi bringt Jahrzehnte von Erfahrung und Lehre kurz, bündig und nachvollziehbar auf den Punkt. Er erklärt die Grundlagen der Perspektive, die der Schlüssel zum Zeichnen von Raum ist.

Außerdem verwies Asisi auf praktische Übungen und einen begleitenden YouTube-Kanal mit 40 Filmen, die zeigen, wie einfach und befriedigend es sein kann, den Stift in die Hand zu nehmen und loszulegen: „Dran bleiben, kleine Schritte machen und das Zeichnen zu einer selbstverständlichen Fähigkeit werden lassen“, motivierte er die Zuhörer. Fotos: Wolfgang Gorsboth

Von Redaktion