Wittenberg/Dessau (wg). Wer bringt das Kind in die Schule, wenn die Mutter an Krebs erkrankt ist? Wer begleitet den Großvater zum Arzt, der meint, dass seine Krebsdiagnose nur ein Irrtum sein kann? Wer unterstützt die Betroffenen bei ständigem Unwohlsein und geht einkaufen? Und: Wer kann wem was sagen? Und wie sagt man es?
Psychologin Franziska Jockel, Beraterin der Sachsen-Anhaltischen Krebsgesellschaft (SAKG), beschreibt die Situation so: „Erhält eine Person die Diagnose Krebs, beeinflusst das nicht nur den Betroffenen, sondern auch das direkte Umfeld, insbesondere die Familie. Oftmals sind vor allem Familienmitglieder erheblich belastet, denn sie übernehmen zusätzliche Verantwortung, um den Betroffenen zu entlasten, man will ja helfen. Das geht mit einer großen Heraus- oder Überforderung für Familiensysteme einher. An dieser Stelle wollen wir Entlastung schaffen.“
Die Sachsen-Anhaltische Krebsgesellschaft berät und betreut nicht nur Menschen, die an Krebs erkrankt sind, sondern auch deren Angehörige. Das Angebot umfasst außer der Hilfe bei sozialrechtlichen Fragen auch die psychoonkologische Arbeit. In jüngster Zeit konnte der Verein mit mehreren Psychologinnen die Teams verstärken, die betroffene Familienmitglieder in Einzel-, Gruppen- oder Paargesprächen beraten. Gemeinsam versuchen sie herauszufinden, welche Probleme sich im Zusammenleben mit dem Krebskranken ergeben und wie sie sich lösen lassen.
Dabei geht es um Fragen wie Verlustängste, Konfrontation mit Leiden und Sterben, Störungen der Sexualität, Kommunikationsprobleme durch Vermeidung oder Verleugnung, Unsicherheit im Verhalten Betroffenen gegenüber, Unsicherheiten über den Krankheitsverlauf, Einschränkungen in der Freizeit, Kommunikation mit Kindern und Jugendlichen. Werden Schwächen benannt, können auch Stärken erkannt werden. Ziel ist, dass Krebspatienten und ihre Familien es schaffen, die Krankheit trotz aller Schwere zu etwas zu machen, mit dem sie leben können.
Die psychosozialen Beratungsangebote für das ganze Familiensystem stärken die Betroffenen und ihre Angehörigen in ihren Fähigkeiten zum Umgang mit der Ausnahmesituation. Der systemische Ansatz bezieht je nach Bedarf Ehepartner, Angehörige und Kinder aktiv mit ein, um beispielsweise Ängste und Nöte oder unterschwellige Konflikte zu erfassen und Bewältigungsstrategien sowie Ressourcen im Familiensystem zu etablieren. „Hier ist individuelle Entlastung und Neuorientierung in einem geschützten Rahmen sehr wichtig. So können alle Familienmitglieder ihren Umgang mit der Situation finden“, sagt Franziska Jockel.
Im Kunsttreff kreativ werden
Jeden ersten Montag im Monat lädt die Psychosoziale Krebsberatungsstelle Dessau unter dem Motto „Ein Weg zu Kreativität und Wohlbefinden“ von 15 bis 16.30 Uhr zu einem Kunsttreff für Krebsbetroffene und Angehörige in ihr Domizil Schlossplatz 3 ein. Mit der bildenden Künstlerin und Psychologin Larissa Morgenstern lernen die Teilnehmer verschiedene Möglichkeiten des kreativen Ausdrucks kennen. Kreatives Gestalten ist Mittel zur Entspannung, zur Steigerung des Selbstwertes, vor allem aber kann das Entdecken schöpferischer Freude zu einer emotionalen Entlastung in einer krisenbehafteten Zeit führen.
Anfänger und Fortgeschrittene sind gleichermaßen eingeladen, neue Fähigkeiten im Bereich der Malerei kennenzulernen und in entspannter Atmosphäre schöpferische Ideen zu entwickeln. Es handelt sich um ein laufendes Gruppenangebot, zu dem keinerlei Vorkenntnisse notwendig sind. Ein Einstieg ist jederzeit möglich. Das Angebot ist kostenfrei, eine Spende für Materialien ist aber sehr willkommen. Im Kunsttreff wird mit Acrylfarben und Pastellkreiden gemalt. Ein „Malkittel“ oder Ähnliches sollten Interessierte mitbringen, um die Kleidung zu schonen.
Durch die Krebsdiagnose werden die meisten Menschen aus der Normalität gerissen. Oftmals sind die Betroffenen durch Unruhe, Ängste und starke Einschränkungen im Wohlbefinden belastet. Während der Krankheitsverarbeitung wird häufig ein Weg gesucht, das Unfassbare zu begreifen und sich emotional zu entlasten. Ob die Diagnose Krebs gerade erst gestellt wurde, sich Betroffene in einer Therapie befinden oder nach Abschluss einer Behandlung wieder zu neuer Kraft gelangen wollen – die künstlerische Betätigung kann die Krankheitsverarbeitung in all diesen Phasen unterstützen. Durch das kreative Gestalten können die Teilnehmer lernen, ihre körperliche und psychische Anspannung zu regulieren, Stressempfinden zu reduzieren und dadurch wieder mehr Wohlbefinden erlangen.
Hinweis
Beratungen finden täglich in den psychosozialen Beratungsstellen in Dessau-Roßlau, Magdeburg, Halle (Saale) und Weißenfels und an den elf Außenberatungsstellen einmal im Monat statt. Terminvereinbarungen sind zwingend erforderlich unter Tel.: 0340/250 87 810 oder per Mail an: info@sakg.de. Weitere Informationen zur Arbeit der Sachsen-Anhaltischen Krebsgesellschaft finden Betroffene, Angehörige und Interessierte unter www.sakg.de.
Bild: Sven Weise (m.), Geschäftsführer der SAKG, mit den Mitarbeitern der Krebsberatungsstelle in Dessau-Roßlau: Diplom-Psychologin Anna Maria Hofmann und Sozialpädagoge Matthias Jaszowski. Foto: Wolfgang Gorsboth

