Wittenberg (md/wg). Der Reformator Thomas Müntzer wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts meist als Revolutionär und Anwalt des „gemeinen Mannes“ wahrgenommen. Wesentlich dazu beigetragen hat der bedeutende Philosoph Ernst Bloch (1885-1977) mit seinem Buch „Thomas Müntzer als Theologe der Revolution“, das insbesondere auch von der westdeutschen 68er-Bewegung stark rezipiert wurde. Dieser einflussreichen Annäherung und dem Müntzer-Bild Blochs widmet sich eine wissenschaftliche Tagung vom 21. bis 23. November in der Stiftung Leucorea Wittenberg.
Veranstalter sind die Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, die Stiftung Leucorea, die Ernst-Bloch-Gesellschaft und die Thomas-Müntzer-Gesellschaft. Zum 500. Jahrestag des Bauernkriegs werden renommierte Expertinnen und Experten aus der Blochforschung ebenso wie aus der Müntzerforschung erwartet. Sie nehmen den historischen, politischen und theologischen Kontext von Blochs Schrift in den Blick sowie ihre Rezeption und bleibende Bedeutung. Während der interdisziplinären Tagung diskutieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, der Schweiz und den USA auch die aktuelle Relevanz des Buches.
Zum Auftakt referiert am Freitag, dem 21. November, um 14 Uhr, der Schweizer Theologe Dr. Beat Dietschy über Ernst Blochs Müntzerbuch im Zusammenhang mit dessen Philosophie. Im Verlauf der Tagung wird Dr. Thomas T. Müller, Vorstand der Stiftung Luthergedenkstätten, auch durch die Interimsausstellung der LutherMuseen „Buchstäblich Luther. Facetten eines Reformators“ im Wittenberger Augusteum führen.
Hintergrund
Ernst Bloch war einer der wichtigsten deutschen Philosophen des 20. Jahrhunderts. Seine Philosophie ist durch den Marxismus mit starker Nähe zu utopischem Denken geprägt. Sein Werk kreist um die Frage nach Hoffnung, Zukunft und die Sehnsucht nach einer besseren Welt, unter anderem in den Schriften „Der Geist der Utopie“ (1918) und „Das Prinzip Hoffnung“ (1954-59).
Eine zentrale Rolle spielt auch Blochs 1921 erschienene Studie „Thomas Müntzer als Theologe der Revolution“, in der er den radikalen Reformator der Bauernkriegszeit Anfang des 16. Jahrhunderts als Vorkämpfer revolutionärer Praxis deutet. Bloch las Müntzer nicht nur als religiöse Gestalt, sondern auch als Sprachrohr einer unterdrückten Klasse, die nach einer gerechten Gesellschaft im Bündnis von Glauben und sozialem Aufstand strebte. Dabei verband der Philosoph christliche Erlösungsmotive mit marxistischer Utopie.
Die Teilnahme an der Tagung ist kostenfrei. Um Anmeldung per E-Mail an: sekretariat@leucorea.uni-halle.de wird gebeten.

