Dessau (md). Angelika Zaceks Inszenierung von Giacomo Puccinis Opernklassiker „Madama Butterfly“ als berührende, kraftvolle Emanzipationsgeschichte feiert am 28. April um 19.30 Uhr Premiere im Großen Haus des Anhaltischen Theaters Dessau. Wer bin ich und wie geht man mit mir um? „Madama Butterfly“ erzählt die erschütternde Geschichte von Cio Cio San, die nach diversen Kränkungen, Irrwegen und Mehrfachdiskriminierung die eigene Identität sucht.
Aus finanzieller Not schickt die Familie das sechsjährige Mädchen Cio Cio San auf eine Schule für Geishas. Mit 15 Jahren wird sie dem jungen amerikanischen Marineleutnant Pinkerton, der zum Schutz eines Handelsschiffs nach Nagasaki gekommen ist, samt Haus als Braut vorgestellt. Für den pubertären Pinkerton beginnt ein heißes, sexuelles Abenteuer weit weg von zu Hause. Für Cio Cio San ist die Begegnung das Ticket in die Freiheit. Sie ist entschlossen, die beste amerikanische Frau zu werden, die es je gegeben hat. Bereits vor der Hochzeit legt sie ihre Religion ab, weswegen ihre Familie sie verstößt.
Die Teenager toben und probieren sich in der Zeit, die ihnen bleibt, sexuell aus. Denn schon bald wird Pinkerton nach Amerika zurückgerufen. Obwohl er in Cio Cio San verliebt ist, kann er sich nicht vorstellen, sie als Ehefrau mit nach Amerika zu nehmen. Den Status einer US-Bürgerin traut er ihr nicht zu. Er lässt Cio Cio San jedoch im Glauben, bald wiederzukommen und finanziert das Haus weiter. In Zaceks Interpretation stürzt sich die schwangere Cio Cio San ins Amerika-Studium. In den kommenden Jahren erlernt sie mithilfe der Hausangestellten Suzuki, die immer an ihrer Seite ist, alles über Aussehen, Sprache, Mode, Bewegung.
Auch die amerikanische Literatur studiert sie. Sie liest feministische Texte von Judith Butler, Audre Lord, Simone de Beauvoir und zieht das Kind zusammen mit Suzuki auf. Nach drei Jahren glaubt ihr Umfeld nicht mehr an die Rückkehr von Pinkerton. Schon wirbt ein reicher Japaner um die schöne Cio Cio San, die jedoch an ihrem Glauben und ihrer Ehe festhält. Als Pinkerton von seinem Kind erfährt, bricht er mit seiner neuen Frau Kate nach Nagasaki auf, um es nach Amerika zu holen. Aus Scham und Feigheit spricht Pinkerton jedoch nicht persönlich mit Cio Cio San, sondern involviert nur Suzuki in das Vorhaben.
Freudig erwartet Cio Cio San seine Ankunft mit dem Schiff, um ihm als perfekte Amerikanerin zu begegnen, doch sie trifft nur auf Kate, die wie ihr eigenes Spiegelbild vor ihr steht. Cio Cio San ist verzweifelt. Warum genügt sie selbst nicht als amerikanische Frau…? In ihrer Inszenierung „Madame Butterfly“ hinterfragt Angelika Zacek den Umgang mit Frauen und ihre Position in der Welt. Sie schaut aber auch auf die Rolle der Familie, Gesellschaft und Bildung. Was macht Mehrfachdiskriminierung mit Menschen? Welche Bedeutung haben Armut und Reichtum? Entstanden ist ein bewegender und berührender Opernabend, der einen neuen Blick auf den Klassiker wirft.
Bild: Konzeptionsskizze zu „Madama Butterfly“, ©Gregor Sturm

