Samstag, 18.10.2025

Wittenberg (wg). Unter dem Titel „Nicht von gestern…“ lädt die Evangelische Akademie am Mittwoch, dem 24. August, um 18.30 Uhr ein zu einer Informationsrunde über die judenfeindliche Schmähplastik an der Wittenberger Stadtkirche. Die Teilnahme ist kostenfrei, Interessierte werden um Anmeldung gebeten.

Das umstrittene Relief zeigt eine Sau, an deren Zitzen zwei Menschen saugen, die durch ihre Spitzhüte eindeutig als Juden zu identifizieren sind. Ein Rabbiner hebt den Schwanz des Tieres und blickt in den After. Schweine gelten im jüdischen Glauben als unreine Tiere. Das Sandstein-Relief wurde um 1300 an der Südfassade der Stadtkirche angebracht. Über dem Relief prangt seit 1570 der Schriftzug: „Rabini Schem HaMphoras“, ein hebräischer Verweis auf den unaussprechlichen Namen Gottes bei den Juden. Diese Ergänzung wird mit Martin Luther in Verbindung gebracht, der in seinem Spätwerk gegen die Juden hetzte.

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„Das Motiv konfrontiert uns nicht nur mit der jahrhundertelangen Geschichte von Gewalt und Ausgrenzung gegen Jüdinnen und Juden, sondern ist auch heute noch Teil antisemitischer Bildsprache“, heißt es in der Einladung der Evangelischen Akademie. Wie soll mit der Schmähplastik, die seit dem Mittelalter an der Stadtkirche hängt, umgegangen werden? „Sollte das Relief an der Stadtkirche verbleiben – als Mahnung für die Zukunft? Oder ist das antisemitische Motiv zu gegenwärtig und zu beleidigend, um an der Kirchenfassade zu verbleiben?“

Aktuell wird über den Umgang mit dem Relief diskutiert. Das Thema ist Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Zuletzt entschied der Bundesgerichtshof im Juni des Jahres, dass das Relief nicht entfernt werden müsse und wies damit die Revision eines jüdischen Klägers zurück. Isoliert betrachtet verhöhne das Relief zwar das Judentum als Ganzes, urteilten die Richter, aber zusammen betrachtet mit der am 11. November 1988 gegossenen Bodenplatte samt Inschrift, die an die Shoah erinnert, sei aus dem „Schandmal“ ein „Mahnmal“ geworden.

Zuletzt legte der vom Gemeindekirchenrat der Stadtkirche eingesetzte Beirat zur Weiterentwicklung der „Stätte der Mahnung“ Empfehlungen für den künftigen Umgang mit der Schmähplastik vor. Der Beitrat empfiehlt, „eine klare Veränderung der bisherigen Situation herbeizuführen.“ Das Relief solle abgehängt und an anderer Stelle in einem adäquaten Kontext aufgestellt werden. Der Beirat spricht sich dafür aus, das Relief nicht in einem Museum, sondern in einen kirchennahen und noch zu entwickelnden „Lernort“ unterzubringen. Ende August will der Gemeindekirchenrat über diese Empfehlung beraten.

Die Evangelische Akademie nimmt die aktuellen Diskussionen zum Anlass, miteinander ins Gespräch zu kommen: Über Geschichte und Wirkung der Reliefs, über Kontinuitäten des Antisemitismus und über den angemessenen Umgang mit judenfeindlichen Bildwerken im öffentlichen Raum.

Bild: Die als „Judensau“ bezeichnete Schmähplastik an der Wittenberger Stadtkirche ist stark umstritten. Foto: Wolfgang Gorsboth

Von Redaktion