Wittenberg (md/wg). „Liberale Demokratien sind angewiesen auf das grundsätzliche Vertrauen ihrer Bürgerinnen und Bürger: in staatliche Institutionen und in das Prinzip von Aushandlung und Kompromiss. Ihre Funktionalität ist davon abhängig, dass Kontroversen um die besten Lösungen eines Zusammenlebens ermöglicht werden“, heißt es im Ergebnis des elften Fachgespräch der Direktoren der Evangelischen Akademien in Ostdeutschland mit Wissenschaftlerinnen, Medienvertretern und Theologen.
Was kann man tun, wenn das Vertrauen in den Staat sinkt und der öffentliche Meinungsaustausch gleichzeitig immer stärker durch Polarisierung bestimmt ist? Kann Diskurs überhaupt noch gelingen, wenn in manchen Regionen der Bundesrepublik die Hälfte der Menschen für eine in Teilen gesichert rechtsextreme Partei votieren will und damit für eine Partei, die das Schüren des Misstrauens in staatliche Institutionen zum Programm macht?
Welche Rolle spielen dabei sowohl tatsächliche als auch empfundene Ungleichheiten zwischen Menschen, u.a. bedingt durch Abwanderungen aus ländlichen Gebieten? Darüber haben die Direktorin und die Direktoren der ostdeutschen Evangelischen Akademien in ihrem 11. Fachgespräch zur Demokratie mit Experten aus der Politischen Bildung diskutiert.
„Wir reden viel über Diskursräume, die erhalten werden müssen“, so der Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt, Christoph Maier (siehe Foto). „Realistisch befinden wir uns aber viel öfter in Bekenntnisräumen; das heißt, die Positionierung der miteinander Sprechenden oder Streitenden ist von vornherein festgelegt.“ Diesen Umstand, so Maier weiter, könne man nicht ignorieren. Es sei vielmehr Aufgabe von kirchlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren und Akteurinnen, die sich um eine Stärkung der Demokratie bemühen, ihn in die eigene Arbeit einzubeziehen.
Die Direktorin der Evangelischen Akademie zu Berlin, Friederike Krippner, verwies darauf, dass die derzeitige politische Situation positive Grundhaltungen der Akteure und Akteurinnen brauche. Ein grundsätzliches Bekenntnis zu Rechtsstaatlichkeit, Minderheitenschutz und Demokratie sei der Rahmen, in dem gestritten werden könne. Dass dies immer wieder als vermeintliche Beschneidung der Meinungsfreiheit kritisiert werde, mache diese Positionierung nicht falsch.
Grundsätzlich aber müsse es darum gehen, den Korridor des Sagbaren weit zu halten: „Angesichts der derzeitigen Debattenkultur kann ein Dreischritt hilfreich sein: Erstens sollte zur Offenlegung der eigenen Position ermutigt werden, um dann, zweitens, im besten Fall ein echtes Konfliktgespräch zu führen, damit, drittens, ein Ringen um Lösungen gelingen kann.“ Es gehe darum, die Emotionalität der Debattenlage ernst zu nehmen und durch sie hindurch zu einer stärkeren Sachlichkeit zu gelangen. Dies sei unter anderem Aufgabe der Evangelischen Akademien im Osten.
In regelmäßigen Abständen kommen die Direktoren und die Direktorin der Evangelischen Akademien in Ostdeutschland – namentlich der Evangelischen Akademie Thüringen (Dr. Sebastian Kranich), der Evangelischen Akademie zu Berlin (Dr. Friedrike Krippner), der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt (Christoph Maier), der Evangelischen Akademie der Nordkirche (Prof. Dr. Henning Theißen) und der Evangelischen Akademie Sachsen (Stephan Bickhardt) – zusammen, um über den Umgang mit rechtsextremen Parteien und Fragen zur demokratischen Ordnung des Gemeinwesens zu debattieren. Jedes Treffen steht unter einem speziellen Thema, zu dem Wissenschaftlerinnen, Journalisten oder Theologinnen als Impulsgeberinnen und Fachberater geladen werden. Foto: Gorsboth/Archiv

