Wittenberg (wg). „Juden der Stadt Wittenberg im Dritten Reich“ ist der Titel einer Ausstellung von Ronny Kabus im Kreuzgang vor der Klosterkirche, die bis zum 31. März 2025 zu sehen ist. Sie ist über die Tourist-Information im Stadthaus, Mauerstraße 18, erreichbar. Die Ausstellung bietet einen historischen Rückblick auf das jüdische Leben in Wittenberg. Dabei wird die NS-Zeit von der Machtergreifung über die Nürnberger Gesetze und der Novemberpogrome bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs anhand einzelner Schicksale ausgeleuchtet.
Ronny Kabus hat einen Großteil seines beruflichen Schaffens der Erforschung jüdischen Lebens gewidmet. Das Fundament seiner Arbeit stellt die im Jahr 1988 in Wittenberg erarbeitete Ausstellung „Jüdische Schicksale in Wittenberg 1933 – 1945: Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung jüdischer Mitbürger der Lutherstadt Wittenberg zwischen 1933 und 1945 vor dem Hintergrund des antisemitischen Missbrauchs des Reformators Martin Luther“ dar. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter des reformationsgeschichtlichen Museums „Staatliche Lutherhalle“ forschte Kabus dazu seit Mitte der 1980er Jahre.
Die dafür ausgewerteten Quellen sind umfangreich. Mangels originaler Akten über den Nationalsozialismus war es für ihn jedoch zu Beginn seiner Forschung schwierig gewesen, das Leben der Menschen jüdischen Glaubens in der Lutherstadt zu erforschen. Ronny Kabus legte daher sein Hauptaugenmerk auf Jahrgänge von Zeitungsbänden und Archivalien verschiedener Institutionen, zu denen er Zugang hatte, bspw. das Archiv der Jüdischen Gemeinde in Halle (Saale) und auch kirchliche und staatliche Archive. Ronny Kabus hat bis zu seinem Tod im Jahr 2022 an der Weiterentwicklung der Ausstellung gearbeitet und seine jeweiligen Forschungsergebnisse in Aufsätzen veröffentlicht.
Vor einigen Jahren wurde die Ausstellung von Ronny Kabus erneut redigiert und in den Städtischen Sammlungen der Lutherstadt Wittenberg ausgestellt; die Lutherstadt Wittenberg beteiligte sich an den Herstellungskosten. Nun kehrt sie – in ihrer letzten Fassung – an ihren Ursprungsort Lutherstadt Wittenberg zurück. Wer sich die Ausstellung und die Zeitungsausschnitte anschaut, dem wird unmissverständlich klar: Die Zeitgenossen von damals waren sehr genau über das informiert, was mit ihren jüdischen Nachbarn geschah. Niemand konnte behaupten, er habe von nichts gewusst.
Die Ausstellung folgt in der Chronologie und den inhaltlichen Schwerpunkten im Wesentlichen der Exposition von 1988: Zeitliche Zäsuren werden von 1933 (Machtergreifung) bis 1935 (Nürnberger Gesetze), von 1935 bis 1938 („Kristallnacht“) und von 1938 bis 1945 (Endlösung) gesetzt. Inhaltlich rücken vor allem die antisemitische Propaganda, insbesondere unter Berufung auf Luther und die Reformation, der Prozess der wirtschaftlichen Erdrosselung sowie die Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung der Wittenberger Juden in den Blickpunkt der Darstellung.
Die Opfer sind tot und die Täter haben sich bemüht, so wenig Spuren wie möglich zu hinterlassen. In diesem Sinne zeichnet die Ausstellung ein unmissverständliches Bild davon, was das „Tausendjährige Reich“ für die Juden dieser Stadt bedeutete. Am konkreten Einzelschicksal wird die Komplexität des Holocausts erläutert. Besonders deutlich wird dabei der qualvolle Prozess der seelischen Zerstörung jüdischer Bürger in Nazideutschland.
Ronny Kabus wurde 1947 in Görlitz geboren und studierte Geschichte und Germanistik. Infolge einer Kritik an der Biermann-Ausbürgerung und des Austritts aus der SED zerschlug sich die Hochschullaufbahn und Kabus wurde als operative Kontrollperson von der Stasi überwacht. Ab 1978 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Lutherhalle und war dort von 1986 bis 1988 amtierender Direktor. Im September 1989 siedelte er in die Bundesrepublik über auf Grund beruflicher Zurückstufung und Behinderung der wissenschaftlichen Arbeit. Von 1991 bis 2004/05 war er Direktor des Ostpreußischen Landesmuseums in Lüneburg. 2014 veröffentlichte er eine Autobiografie mit dem Titel „Lenin-Luther-Lorbass. Erbarmung“.
Öffnungszeiten:
Täglich von 10 bis 15 Uhr analog der Öffnungszeiten der Klosterkirche, letzter Einlass ist um 14.30 Uhr. Foto: W. Gorsboth