Samstag, 18.10.2025

Wittenberg (wg). Die Reformationsgeschichtliche Forschungsbibliothek im Schloss präsentiert anlässlich der 500-Jahr-Feierlichkeiten zum Druck des Neuen Testamentes in der Übersetzung Martin Luthers die Ausstellung „Nicht ein Genius allein – Das Septembertestament von 1522“. Die am Donnerstag, dem 18. August, eröffnete Exposition ist bis zum 18. November 2022 zu sehen.

Die in Kooperation mit der Europäischen Melanchthon-Akademie in Wittenbergs Partnerstadt Bretten konzipierte Sonder- und Wanderausstellung ordnet Luthers Bibelübersetzung in einen kollegialen und nur im Kontext des europäischen Bildungshumanismus verständlichen Zusammenhang ein. Ohne die Leistungen Luthers zu schmälern, lässt die Ausstellung auch Wegbereiter, Mitstreiter und Gegner sichtbar werden: Nicht ein Genius allein, sondern das Zusammenwirken verschiedener Köpfe in einer besonderen kulturellen und politischen Situation ließ ein Werk von herausragender Bedeutung entstehen.

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Unter anderem zeigt die Ausstellung ein aufwendig eingebundenes Original des Septembertestamentes von 1522 sowie wertvolle vorreformatorische Bibeln, darunter eine spätmittelalterliche Vulgata. Mit dem „Novum Testamentum“ wird auch der wichtigste humanistische Anstoß für das Wittenberger Übersetzungswerk gezeigt, mit dem Erasmus von Rotterdam den Text des Neuen Testaments parallel in Griechisch und Lateinisch vorlegte und damit die sprachliche Grundlage für die Übersetzungsarbeit wesentlich verbesserte. Gezeigt werden auch „Gegenbibeln“, mit denen papsttreue Christen versuchten, Luthers publizistischen Erfolg einzudämmen. Bibelübertragungen in andere Sprachen lassen zudem den europäischen Horizont sichtbar werden, in den sich die Übersetzungsarbeit der Wittenberger Reformatoren einfügt.

Mitte Juli 2022 soll der auf der Wartburg als „Junker Jörg“ versteckte Luther mit der Übersetzung angefangen haben, er hat rund elf Wochen gebraucht, um das griechische Neue Testament ins Deutsche zu übersetzen – in 77 Tagen von den Evangelien bis zur Offenbarung. Wahrscheinlich hatte er auf der Wartburg Tag und Nacht gearbeitet. Ob ihm auch die Verleger im Nacken saßen, sei dahin gestellt, zumal Luther für seine geleistete Arbeit kein Honorar erhalten haben soll. Tatsache ist aber, dass sich die in 3.000 Exemplaren gedruckte Auflage auf der Buchmesse in Leipzig im September 1522 trotz exorbitanten Verkaufspreises bestens verkaufte.

Die Grundlage war geschaffen worden, dass sich die Bibel zu einem Volksbuch entwickelte, in dem jeder lesen konnte, ohne auf die Vermittlung von Priestern angewiesen zu sein. Dass Luther den Ruf eines Mannes genoss, der vor dem Papst und vor dem Kaiser nicht eingeknickt war, mag das Geschäft befördert haben. Zum Erfolg beigetragen haben die 21 Holzschnitte von Lucas Cranach d.Ä., die die Offenbarung des Johannes zum Inhalt haben – und alles andere als papstfreundlich waren: Die Darstellung des Papstes als Drache und als Hure von Babylon sind nur zwei Beispiele, die damals für Aufsehen gesorgt haben dürften, denn die Botschaft lautete: „Der Papst ist der Antichrist!“

Luthers Übersetzungsprinzip lautete: „Man muss nicht die Buchstaben in lateinischer Sprache fragen, wie man soll deutsch reden, sondern man muss die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gasse, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und dolmetschen, so verstehen sie es denn.“ Besser bekannt wurde Luthers Übersetzungsprogramm vor allem durch seine Worte: „Man muss dem Volk aufs Maul schauen.“

Konkret heißt das: Luther übersetzte weniger wortgetreu als vielmehr sinngetreu, dazu musste er sich an Alltagssprache und Alltagserfahrung orientieren: Das heißt, er übertrug schwer verständliche Vergleiche und Bilder aus der Heiligen Schrift, die der Welt der Beduinen und des israelischen Volkes entstammten, in die Lebenswirklichkeit der Menschen seiner Zeit. Ausdrücke wie Feuertaufe, Bluthund, Lästermaul, Schandfleck, Lückenbüßer und viele mehr stammen von Luther, ebenso geflügelte Metaphern wie „Perlen vor die Säue werfen“, „ein Buch mit sieben Siegeln“, etwas „ausposaunen“ oder ein „Wolf im Schafspelz“.

Luther hatte sich in seiner Arbeit überwiegend auf die sächsische Amtssprache gestützt, in seinen Tischreden sagt er: „Ich hab keine gewisse, sonderliche, eigene Sprache im Deutschen, sondern brauche der Gemeinen deutsche Sprache, dass mich beide, Ober- und Niederländer, verstehen mögen. Ich rede nach der Sächsischen Canzeley.“ 1534 erschien dann bei Hans Lufft die zweibändige, komplette Lutherbibel – von 1. Mose bis zur Johannesoffenbarung lagen nun alle Bibelteile in deutscher Übersetzung vor.

Bereits nach Erscheinen des Septembertestamentes beginnt die Revisionsgeschichte: Bis zur Ausgabe letzter Hand 1545 hat Luther seine eigene Übersetzung immer wieder sprachlich verbessert. Damit steht das Septembertestament von 1522 am Anfang einer langen und wirkungsvollen Geschichte der Lutherbibel, die die deutsche Sprache wie kein anderes Buch geprägt hat.

Hinweis:

Die Ausstellung kann Montag bis Donnerstag von 10 bis 16 Uhr sowie Freitag von 10 bis 14 Uhr besichtigt werden. öffentliche Führungen werden am 31. August, 14. und 28. September, 12. Oktober sowie 9. und 17. November, jeweils um 18 Uhr, sowie am 31. Oktober um 14.30 Uhr angeboten. Sonderführungen können im Sekretariat der RFB unter Tel.: 03491/50 69 200 oder per Mail an: sekretariat@rfb-wittenberg.de gebucht werden.

Bild: Cranach-Holzschnitt aus dem Septembertestament von Martin Luther: Dargestellt ist der Kampf gegen den siebenköpfigen Drachen mit zehn Hörnern. Foto: Reformationsgeschichtliche Forschungsbibliothek

Von Redaktion