Donnerstag, 11.12.2025

Wittenberg (md). „Wir arbeiten gefühlt permanent im Krisenmodus“, erklärte Thomas Keitzl, Vorsitzender des Verwaltungsrates des Augustinuswerks und Diözesan-Caritasdirektor, anlässlich des traditionellen Neujahrsempfangs am Mittwochabend in der Hauptwerkstatt für Menschen mit Behinderungen. Die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten mit ihren Auswirkungen, die Inflation und der Fachkräftemangel – all das verlange nach neuen Lösungen. „Wir beobachten in Deutschland eine Entwicklung, die mich mit großer Sorge erfüllt“, betonte Keitzl. Die oftmals berechtigte Unzufriedenheit mit der aktuellen Politik treibe Menschen in die Hände von Parteien und Gruppierungen, die in einer komplexen Welt vermeintlich einfache Lösungen anböten.

„Mehr als 30 Jahre nach der Friedlichen Revolution müssen wir erfahren, dass Demokratie nicht selbstverständlich ist, sondern dass wir dafür eintreten müssen“, erklärte Keitzl. Auch die Werte, die die Basis des Zusammenlebens bildeten, seien in Bewegung geraten. Werte wie Nächstenliebe, Toleranz, Menschlichkeit und Weltoffenheit würden von vielen ganz offen in Frage gestellt. „Populisten propagieren eine Weltanschauung, von der ich glaubte, dass wir sie überwunden bzw. aus deren Folgen gelernt haben“, sagte Keitzl. Das Augustinuswerk stehe für Werte wie Menschlichkeit, Toleranz und Nächstenliebe, es engagiere sich unermüdlich für hilfsbedürftige Menschen, insbesondere für Menschen mit Behinderungen.

Werbung

„Lassen Sie uns den aktuellen Entwicklungen nicht tatenlos zuschauen, stehen wir auf und setzen uns ein für unsere Mitmenschen, für Demokratie, für die Werte und Weltanschauungen, die dazu beigetragen haben, dass wir in Deutschland seit fast 80 Jahren in Frieden leben dürfen“, so Keitzl. Die zahlreichen Demonstrationen in den vergangenen Tagen und Wochen zeigten, dass es viele Menschen gebe, die für diese Werte einstehen. Er habe Hoffnung „auf ein Jahr, auf das wir am Ende zufrieden zurückblicken dürfen, auf den Mut, sich für die eigenen Überzeugungen einzusetzen und auf die Zuversicht, dass es gelingen kann.“

Landrat Christian Tylsch (CDU) betonte in seinem Grußwort, dass das Augustinuswerk für Werte stehe, die heute wichtiger denn je seien: „In einer Welt, die heute leider oft von Pessimismus und Zynismus geprägt ist, ist das Augustinuswerk ein gutes Beispiel dafür, dass man mit Optimismus und Realismus viel weiter kommt. Sie zeigen uns, dass es möglich ist, Probleme nicht nur zu erkennen, sondern sie auch mit Herz und Verstand anzugehen. Ihre Arbeit ist ein lebendiges Zeugnis dafür, wie Nächstenliebe in die Tat umgesetzt werden kann.“

Nächstenliebe sei das grundlegende Prinzip des sozialen Rechtsstaates, sie beinhalte Mitgefühl, Fürsorge und Hilfsbereitschaft gegenüber anderen Menschen, unabhängig von deren Hintergrund oder Überzeugungen. Nächstenliebe als Brückenbauer zwischen Unterschieden fördere das Verständnis und die Akzeptanz von Vielfalt, sie helfe, Vorurteile abzubauen. „Nächstenliebe“, betonte der Landrat, „ist damit der stärkste Gegenentwurf zu Spaltung und Hass, denn sie erinnert die Menschen daran, dass trotz unterschiedlicher Ansichten ein respektvoller und menschlicher Umgang miteinander möglich ist.“

Tylsch dankte allen Mitarbeitenden des Augustinuswerks für ihre Hingabe und ihren unermüdlichen Einsatz: „Sie erinnern uns daran, dass jeder Mensch ein Geschöpf und Ebenbild Gottes ist. Sie sind in dem, was Sie jeden Tag tun, Vorbilder unserer Gesellschaft.“ Er wünsche sich für 2024, „dass wir gemeinsam daran arbeiten, unsere Welt jeden Tag ein Stückchen besser zu machen.“

Bürgermeister André Seidig (parteilos), der kurzfristig für Oberbürgermeister Torsten Zugehör einspringen musste, las aus dem Kinderbuch mit dem mutmachenden Titel „Du bist einmalig“ von Max Lucado vor – eine tiefsinnige Geschichte über ein kleines Volk von Holzpuppen verbunden mit der Botschaft: Der Wert eines Menschen wird nicht von anderen Menschen bestimmt, sondern von seinem Schöpfer und dass es wichtig ist, sich nicht von anderen lenken und beeinflussen zu lassen. Seidig: „Die Würde des Menschen ist vielschichtig, sie meint den Menschen in seiner angeborenen stolzen Fähigkeit zur Selbstbestimmung ebenso wie das hilflose Geschöpf, dessen Leben und Integrität wir schützen, weil es zur Gemeinschaft der menschlichen Gattung gehört. In diesem Sinne ist die Arbeit des Augustinuswerks gelebtes Grundgesetz.“

Augustinus-Vorstand Matthias Monecke sprach von schwierigen Zeiten und kündigte an, dass der Diakoniehof Rackith zum 31. März des Jahres den landwirtschaftlichen Betrieb einstellen werde. „Aber auch hier blicken wir positiv nach vorne und werden Lösungen finden“, berichtete Monecke. Gleichzeitig sei ein großer Kampf der vergangenen Jahre mit vielen Höhen, Tiefen und Herausforderungen erfolgreich zu Ende gegangen: Das Augustinuswerk sei der einzige Träger im Land Sachsen-Anhalt, der komplett alle Wohnheime für Menschen mit Behinderungen abgeschafft habe. Im Sinne der Inklusion könnten alle Klienten frei wählen, wie sie leben wollten, Leistungen orientierten sich nunmehr an den individuellen Bedarfen. Das Augustinuswerk sei ein Verbund mehrerer Unternehmen, die erfolgreich am Markt tätig seien. Dies verdanke man auch den Kooperations- und Geschäftspartnern: „Es sind harte Zeiten, aber gemeinsam schaffen wir das!“

Bild: Landrat Christian Tylsch beim Neujahrsempfang des Augustinuswerks. Foto: Alexander Baumbach

Von Redaktion