Samstag, 18.10.2025

Wittenberg (wg). Unter dem Ausstellungs-Titel „Apokalypse“ will die Cranach-Stiftung vom 10. September bis zum 31. Januar 2023 mit Werken aus dem 16. bis 21. Jahrhundert einen „Blick in den Abgrund und darüber hinaus“ wagen. Zu sehen sind unter anderem Grafiken von Albrecht Dürer, Lucas Cranach und Max Beckmann sowie weitere Werke des 20. und 21. Jahrhunderts. Sie stammen aus Museen, aus dem eigenen Bestand und von privaten Leihgebern.

Der Anlass ist ein doppelter: Auf der Wartburg übersetzte Martin Luther das Neue Testament ins Deutsche. Vor 500 Jahren, im September 1522, wurde sie im Auftrag von Cranach d.Ä. und Christian Döring von Melchior Lotter gedruckt. Das ohne Verfassername erschienene und deshalb auch als „Septembertestament“ bezeichnete Buch war ein echter Bestseller: In nur drei Jahren erschienen 42 Neuauflagen.

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Cranach d.Ä., der bedeutende Maler, Grafiker und Buchdrucker der Renaissance, wurde vor 550 Jahren, am 4. Oktober 1472 im oberfränkischen Kronach geboren. Er hat das September-Testament mit Illustrationen versehen, allerdings nur für einen kleinen Teil – der Offenbarung des Johannes, besser bekannt als Apokalypse. „Wir wollen mit dieser Ausstellung an beide Jubiläen erinnern“, berichtet Kunsthistorikerin Dr. Marlies Schmidt, die die Exposition auch kuratiert hat.

Cranachs 21 ganzseitige Holzschnitte zur Apokalypse hatten den damaligen Zeitgeist getroffen. „Das frühe 16. Jahrhundert war nicht nur eine Zeit der großen Entdeckungen und Erfindungen, sondern es wurde auch von apokalyptischen Endzeitvorstellungen geprägt“, erklärt Dr. Schmidt. Letztere hätten sich vor allem auf die biblische Johannes-Offenbarung bezogen. In seinen Illustrationen orientierte sich Cranach an Dürers Holzschnittfolge zur Apokalypse, die einige Jahre zuvor entstand und 15 Holzschnitte umfasste. Cranach erweiterte allerdings die Folge und bezog in einigen Szenen deutlich antirömische Positionen.

Im letzten Kapitel des neuen Testamentes, den Offenbarungen (Apokalypse), berichtet Johannes von seiner Vision einer Katharsis, eines göttlichen Strafgerichtes. Auch in den gegenwärtigen Kriegen, Krisen und Umbrüchen sehen manche Zeitgenossen Vorboten der Apokalypse. Die Johannes-Offenbarung endet mit dem Sieg des Guten und der Auferstehung eines „neuen Jerusalems“ als Ausblick auf eine ideale, paradiesische, vom Bösen befreite und mit Gott versöhnte Welt.

Die Ausstellung geht der Wirkungsgeschichte der Illustrationen des 16. Jahrhunderts nach, denn die bildhafte Sprache der Offenbarungen und deren künstlerische Umsetzung beeinflussen bis heute unsere Vorstellungen von Untergangsszenarien. Es werden Holzschnitte aus Dürers „Apokalypse“ von 1498 gezeigt, Werke von Lucas Cranach d.Ä. und von unbekannten Meistern des 16. Jahrhunderts, Max Beckmanns eindrucksvolle Lithografien aus dem Zweiten Weltkrieg, Grafiken von Hans Grundig, Alfred Frank, Erich Mueller-Kraus, Alfredo Mereles, Werner Drewes und Michal Tillner sowie zeitgenössische Gemälde und Handzeichnungen von Christian Pilz, J. O. Schulze, August Ohm, Inge Marion Petersen und Alexandra Müller. Die Originale von Dürer und Beckmann sind aus konservatorischen Gründen nur bis zum 11. Dezember 2022 zu sehen.

Wortschätze

Zudem kündigt Dr. Schmidt eine zweite Ausstellung der Cranach-Jugendkunstschule in Zusammenarbeit mit dem Wittenberger Bücherfreunde e.V. im Cranach-Hof, Markt 4, an. Luther hatte mit seiner Übersetzung des Neuen Testaments aus dem Griechischen die deutsche Sprache geprägt. Um Sprache geht es auch im Projekt „Wortschätze“, das 2020 mit einem Kinder- und Jugendkulturpreis des Landes Sachsen-Anhalt ausgezeichnet wurde: Wer weiß heutzutage noch, was ein Tausendsassa ist oder eine Handeule, ein Born, ein Oheim, ein Gemach?

Mit dieser Einleitung hatte die Jugendkunstschule das Projekt gestartet, das sich um die Rettung vergessener Wörter bemühte. Es wurden Wörter gesammelt, (75 Kinder befragten dazu auch ihre Eltern und Großeltern), illustriert, mit Worterklärungen versehen und zu freihängenden Mobiles zusammengefügt.

Ausstellungseröffnung

Die Ausstellung „Apokalypse – Ein Blick in den Abgrund und darüber hinaus“ wird am Freitag, dem 9. September 2022, um 19 Uhr im Cranach-Hof, Markt 4, eröffnet. In die Exposition führt Dr. Hanna Kasparick ein. Bereits ab 18 Uhr wird die Sonderausstellung geöffnet sein und es besteht die Möglichkeit, mit Andreas Metschke die Titelseite des Septembertestaments zu drucken sowie Poststücke und Sonderstempel anlässlich der Veröffentlichung des Septembertestaments vor 500 Jahren von Dr. Richard Thomas, dem Vorsitzender des BSV Wittenberg e.V., zu erwerben. Am Samstag, dem 10. September 2022, richtet das Event Team Deutsche Post von 10 bis 16 Uhr im Cranach-Hof, Markt 4, ein Sonderpostamt ein.

Kunstexpedition

Der Theologe und Kunsthistoriker Walter Martin Rehahn hält am 20. September um 19 Uhr im Malsaal der Cranach-Stiftung einen Vortag mit dem Titel „Der Zorn des Lammes und die Stadt Gottes auf Erden. Bilder zur Apokalypse aus tausend Jahren“. Die Apokalypse des Johannes ist das letzte Buch der Bibel, dessen Überfülle an Bildern und Symbolen viele Künstler zu Auseinandersetzungen angeregt hat. Der Vortrag schlägt einen Bogen von Darstellungen aus der mittelalterlichen spanischen Buchkunst über den berühmten Bildteppich von Angers (1373-1382) sowie den Holzschnitten Dürers und Cranachs bis hin zu Arbeiten von Karl Rössing und Max Beckmann aus dem 20. Jahrhundert.

Bild: „Apokalyptische Reiter“ ist der Titel dieses Kunstwerks von Santos Balmori (Schabblatt, 1938) aus der Sammlung von Dr. Gerd Gruber. Foto: Cranach-Stiftung

Von Redaktion